Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
Weise beendet. Er senkte das Gesicht über seinen Teller, schnitt ein sauberes dreieckiges Stück Fleisch zurecht und führte es zum Mund. Er goss Wein aus der Karaffe in sein Glas und hob es an die Lippen. Er nahm eine Scheibe aus dem Brotkorb und bedeckte sie sorgfältig dünn mit Butter. Kluge beobachtete die ganze Prozedur schweigend. Farkas lächelte ihn erneut an. Diesmal war es allerdings ein anderes Lächeln, als wollte er sagen: Für einen Blinden sehe ich doch recht gut, nicht wahr? Und Kluges Farbgebung verriet bestürzte Verwirrung.
Kluge sagte: »Er ist aber kein großer Herumreiser, der Juanito. Er bleibt am liebsten hier in Nuevo.«
»Dann, denke ich, ist er sicher hier irgendwo«, sagte Farkas. Er schnitt sich wieder ein dreieckiges Stückchen Fleisch zurecht. Lächelte wieder verabschiedend. »Ich verstehe deine Besorgnis um deinen Freund, aber es tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen kann. Und nun, wenn es sonst nichts gibt, das du mir zu sagen hast …«
»Doch, da gäbe es etwas, Sir. Der wirkliche Grund, warum ich heute hierher nach Cajamarca kam, um dich zu treffen. Du warst gestern Abend zum Dinner in Valdivia, Sir?«
Farkas nickte.
»Die Sache ist ein wenig außergewöhnlich. Die Frau, für die ich gerade tätig bin, speiste zufällig gestern Abend im selben Restaurant wie du. Sie kommt von der Erde, aus Kalifornien, und macht eine Rundreise durch die L-5-Welten. Sie hat dich dort gesehen, und später fragte sie mich, ob ich es arrangieren könnte, dass sie sich mit dir trifft.«
»Aus welchen Gründen?«
»Da bin ich ebenso überfragt wie du, Sir. Aber ich glaube, es ist etwas Zwischenmenschliches, wenn du mich verstehst.«
Interessant, dachte Farkas. Eine Frau.
Tatsächlich hatte er gestern Abend in dem Restaurant eine Frau wahrgenommen, eine sehr beeindruckende Frau, eine mächtige, auffallende Frau. Einmal war sie an seinem Tisch vorbeigekommen und hatte eine deutliche körperlich-sinnliche Ausstrahlung gehabt, eine große driftende Wolke hitziger weiblicher Stärke verbreitet – grelle Hitzewellen, violettblau, durchzuckt von schweren azurblauen Streifen – und sie hatte sofort seine Aufmerksamkeit erregt und einen unmittelbaren Hormonfluss in ihm ausgelöst. Und auch er hatte ihre Aufmerksamkeit erregt – das leichte überraschte Erschauern in ihrer Aura, das winzige verdutzte Zurückweichen, als ihr seine Augenlosigkeit bewusst wurde … Und dann war sie weitergegangen.
Es wäre ein erfreulicher Zufall, wenn es sich um die selbe Frau handeln sollte. Farkas fühlte sich schon seit einigen Tagen leidlich geil. Sein sexueller Antrieb folgte einer deutlichen Periodizität, lange Strecken mit eunuchenhaftem Desinteresse, unterstrichen von heftigen Ausbrüchen wilder Sexualbedürfnisse. Er machte sich jetzt klar, dass möglicherweise wieder einer dieser episodenhaften Schübe bevorstand. Wäre Juanito noch da gewesen, der Junge hätte wahrscheinlich etwas für ihn arrangieren können. Aber Juanito war ja nun natürlich nicht mehr da. Was für eine freundliche Schicksalsfügung also, dass dieser Kluge aufgetaucht war.
»Wie heißt sie?«, fragte er.
»Bermudez. Jolanda Bermudez«, antwortete Kluge.
Der Name sagte ihm nichts. Und Kluge um eine Beschreibung zu bitten, hätte auch nichts gebracht.
»Nun«, sagte Farkas. »Ich denke, ich kann vielleicht etwas Zeit für sie erübrigen. Wo finde ich sie?«
»Sie wartet in einem Café, das Santa Margarita heißt, ein Stückchen weiter die Speiche rauf. Ich könnte ihr ausrichten, sie kann in, sagen wir, einer halben Stunde hier runterkommen, wenn du deinen Lunch beendet hast.«
»Ich bin fast fertig«, sagte Farkas. »Lass mich hier bezahlen, dann kannst du mich gleich zu ihr bringen.«
»Und Juanito, Sir, weißt du, wir alle machen uns ziemliche Sorgen um ihn. Wenn du also etwas von ihm hörst …«
»Ich wüsste nicht, wie das der Fall sein könnte«, sagte Farkas. »Aber ich bin sicher, es geht ihm prächtig. Er isst ziemlich wenig, dein Freund Juanito.« Er tippte die Summe für seinen Lunch ein. »Also, gehen wir.«
Das Lokal, in dem Jolanda Bermudez wartete, lag nur fünf Minuten entfernt. Farkas hatte einen undeutlichen Argwohn: Das Ganze war zu hübsch und glatt; dass Kluge ihn so einfach aufgespürt hatte, dass diese Frau sich so nahe und bequem platziert hatte. Es roch irgendwie nach einer geplanten Sache. Dennoch, es wäre nicht das erste Mal, dass irgendeine Frau amouröse Gefühle für die augenlose Rundung
Weitere Kostenlose Bücher