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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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seines Gesichts entwickelte, besonders Touristinnen an abgelegenen Orten. Für einen bestimmten Frauentyp stellte das, was Farkas für seine Verunstaltung hielt, einen unzweifelhaften starken Reiz dar. Und außerdem, er war wirklich recht geil im Moment.
    Es lohnte sich, der Sache auf den Grund zu gehen, egal, was für ein Restrisiko es da gab. Er war schließlich bewaffnet. Er hatte noch den Spike, den er Juanito abgenommen hatte.
    »Da sitzt sie«, sagte Kluge. »Die große Frau am vordersten Tisch.«
    »Ich sehe sie«, sagte Farkas.
    Ja, es war genau die Frau, die ihm am Abend zuvor aufgefallen war. Die violetten Hitzewellen strahlten immer noch von ihr aus. Für Farkas sah das aus wie drei wellige Kurven aus silbrigem Metall, die von einem blockartigen Kern in der Mitte ausgingen, der eine beträchtliche Größe hatte, aber eine zarte und verletzliche Textur, einer eierpuddinghaften Masse gespannten Fleischs, deren Mitte – durch eine Serie lidloser augenähnlicher scharlachroter Flecken markiert war. Ein üppiger, ein extravaganter Körper. Und heiß, sehr heiß.
    Farkas trat an den Tisch. Als sie ihn erblickte, reagierte sie genau wie am Abend zuvor, mit jener zweideutigen Mischung von Erregung und Schrecken, mit der so viele Frauen auf seinen Anblick reagierten: Ihr ganzes Farbenspektrum schoss merklich etliche Ångströmeinheiten nach oben, und ihre Wärmestrahlungsintensität schwankte wild auf und ab und auf-ab-auf. Und danach nur noch nach oben.
    »Jolanda Bermudez?«
    »Oh! Ja. Hallo! Ich freue mich sehr!« Ein nervöses Kichern, beinahe ein Wiehern. »Bitte, willst du dich nicht setzen, Mister …?«
    »Farkas. Victor Farkas«, sagte er und setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber. Die Wärme, die von ihr herüber kam, war stark und drängend jetzt, fast betäubend erotisch aggressiv. Farkas irrte sich in diesem Bereich nur selten. Das war eins von den kleinen Geschenken, die Dr. Wu ihm mitgegeben hatte, die Fähigkeit, die erotische Temperatur einer Frau abzuschätzen. Dennoch, das hier schien einfach zu gut, als dass es echt sein konnte. Farkas sah, wie sie auf ihrem Stuhl herumrutschte wie ein kleines schüchternes Mädchen, das sich von einer Seite zur anderen windet. »Dein Kurier, Kluge, sagte mir, dass du mich treffen wolltest.«
    »Ja, ich möchte dich gern kennenlernen. Ich hoffe, du hältst das nicht für scheußlich anmaßend von mir, Mister Farkas, aber ich bin Bildnerin, musst du wissen …«
    »Ja?«
    »Ich arbeite derzeit gewöhnlich in abstrakten Richtungen. Meistens bioresponsive Stücke – du weißt doch, was Bioresponsive Skulpturen sind, natürlich weißt du das?«
    »Ja. Ja, natürlich.« Er hatte keine Ahnung.
    »Aber manchmal möchte ich eben gern auf die ursprünglichen Techniken zurückgreifen, die klassische Repräsentativskulptur. Und – ich hoffe, du vergibst mir, Mister Farkas, wenn ich das so grob direkt sage – als ich dich gestern sah, dein Gesicht, dieses höchst ungewöhnliche Gesicht, sagte ich mir, dass ich dieses Gesicht unbedingt modellieren muss. Ich glaubte, ich muss die Grundstruktur dieses Gesichts wenigstens in Modellierton erfassen, vielleicht sogar in Marmor. Ich weiß ja nicht, ob du selbst künstlerische Neigungen hast, Mister Farkas, aber vielleicht verstehst du, wie intensiv so ein Gefühl sein kann – wie beinahe zwanghaft …«
    »O doch. Sehr genau, Missis Bermudez.« Farkas strahlte sie begeistert an, neigte sich vor und trank sie mit seinem ganzen Sensorium in sich hinein.
    Sie sprudelte weiter, ein Sturzbach von Wörtern schoss aus ihr hervor. Würde er ihr vielleicht Modell sitzen? Er würde? Wie wunderbar, wunderbar! Sie verstand, wie ungewöhnlich dies für ihn sein musste. Doch sein Gesicht war eben etwas so Besonderes. Sie würde keine ruhige Minute mehr haben, bis sie es in ein Kunstwerk umgeformt hatte. Natürlich würde sie dafür Material und Werkzeug brauchen – sie hatte nichts mitgebracht –, aber sie war sicher, sie würde alles irgendwo in Valparaiso Nuevo bekommen können, es würde vielleicht nicht länger als eine, zwei Stunden dauern, und dann könnte er vielleicht zu ihr ins Hotel kommen, auf ihr Zimmer, das als Studio dienen musste – sie würde Messungen vornehmen müssen, die Konturen seines Gesichts sehr sorgfältig studieren müssen …
    Der Pegel der von ihr ausstrahlenden Hitze stieg beständig höher, während sie redete. Das Gerede, dass sie ihn modellieren wollte, klang echt – Farkas war bereit zu glauben, dass

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