Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
schon seit langem tot. Seine Karriere endete mit einem schrecklichen Skandal. Ich habe gehört, dass er Selbstmord begangen hat.«
»Aber nein, mein verehrter Dr. Rhodes. Das ist nicht die Wahrheit.«
»Kein Selbstmord?«
»Nein, er ist gar nicht tot. Dr. Wu war jahrelang auf der Flucht nach dem bedauerlichen Skandal, auf den du angespielt hast. Aber man hat ihn gefunden, und nun arbeitet er effektiv seit kurzem für uns.«
Die unverblümte Eröffnung Nakamuras bestürzte Rhodes so stark, dass seine Hand heftig zuckte und er Cognac verschüttete. Nakamura goss ihm mit glatter Geste beinahe sofort nach.
»Es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte Rhodes. »Ich zweifle natürlich nicht an deinem Wort. Aber es hat tatsächlich so was, wie wenn ein Astronom erfahren würde, dass Galileo Galilei plötzlich wieder aufgetaucht sei und an einem neuen Teleskop arbeitete. Oder wie wenn man einem Biologen sagte, dass Gregor Mendels neue Arbeit demnächst publiziert werden würde. Oder ein Mathematiker, der hört, dass Edgar Madison …«
Nakamura lächelte kühl. »Ja. Ich verstehe durchaus.« Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er Rhodes abblocken wollte, ehe dieser in seiner logorrhöischen Angesäuseltheit das gesamte Pantheon der Wissenschaftler rezitieren konnte. »Aber der gefeierte Dr. Wu entschied sich dafür, zu verschwinden, nicht sich zu töten, als seine illegalen Experimente im Freistaat Kasachstan aufgedeckt wurden, was – wie ich annehme – der Skandal war, auf den du angespielt hast. Er ließ sein Aussehen beträchtlich verändern und suchte in einer der Satellitenwelten von L-5 Asyl. Es zeigte sich, Dr. Rhodes, dass Dr. Wu in Kasachstan unter anderem auch Experimentalforschung auf dem Gebiet der alternativen Vision betrieben hatte. Und derzeit arbeitet er daran, die künftige Besatzung unseres Test-Sternenschiffs zu retrofitten, damit sie befähigt wird, die bei Überlichtgeschwindigkeit auftauchenden visuellen Probleme zu meistern.«
Rhodes hob zitternd sein Glas an die Lippen.
Der unheimliche alte Bastard lebte noch! Und zauberte in irgendeinem Labor bei K-M weiter herum! Unvorstellbar!
»Und falls ich mich entschließen sollte, zu Kyocera zu gehen«, fragte Rhodes, »dann würde ich unter Dr. Wu an diesem Sternenschiff-Projekt arbeiten, ja?«
»Aber keineswegs. Nach allem, was wir über Dr. Wus frühere Erfahrungen aus seinen Arbeiten in Kasachstan wissen, dürfte er durchaus in der Lage sein, das Problem der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit unter Hyperdrive-Bedingungen in kürzester Zeit zu lösen, auch ohne die Mitwirkung eines so hervorragenden Wissenschaftlers, wie du es bist, Dr. Rhodes. Aber davon ganz abgesehen, es wäre ja töricht, wenn wir dich von deinem derzeitigen Forschungsprojekt abzuziehen versuchten.«
»Du meinst, ich könnte direkt mit dem weitermachen, was ich in Santachiara tue, nur eben unter der Schirmherrschaft von Kyocera-Merck?«
»Ja, genau. Wir setzen zwar hohe Erwartungen auf unser Sternenschiffprogramm, aber wir wissen auch zu gut, dass die Kolonisation in anderen Sonnensystemen nur eine potentielle Lösung für unser Problem darstellt. Es wäre sträflich leichtfertig, wenn wir die Möglichkeiten der Adapto-Forschung unberücksichtigt lassen würden. Und hier bei Kyocera-Merck machen wir uns ernsthafte Sorgen darüber, dass die Firma, für die du tätig bist, offenbar in diesem Bereich eine Vormachtstellung erlangt hat.«
Also war den Leuten bewusst geworden, dass man sich bei Samurai in die Startlöcher für nichts geringeres als die Weltherrschaft begab.
»Ich verstehe«, sagte Rhodes.
»Deshalb sind wir bereit, dir die gleichen Forschungsmittel zur Verfügung zu stellen oder sie auch soweit zu vergrößern, wie du dies für wünschenswert hältst. Wir besorgen dir alles an Ausrüstung, was du benötigst, auf jeder Budgetbasis, die dir angemessen erscheint.«
Mit trockener Kehle krächzte Rhodes: »Das klingt sehr reizvoll.«
»Das ist unsere Absicht. Aber natürlich würden wir hoffen, du bringst die meisten oder alle Angehörigen deines derzeitigen Forscherteams mit herüber.«
»Das könnte mir aber einigen juristischen Ärger einbringen, nicht wahr?«
»Es könnte uns einigen juristischen Ärger einbringen«, sagte Nakamura. »Der Firma als einer Körperschaft, Doktor, nicht dir als Einzelperson. Aber wir sind bereit, dieses Risiko auf uns zu nehmen.« Er hielt ihm die Cognacflasche entgegen. »Noch einen Tropfen?«
Rhodes legte hastig die
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