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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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»War unsre Pflicht, Sir, die Autoritäten von diesem Verstoß gegen das Seerecht zu informieren.«
    »Du verdammter hinterhältiger Bastard«, sagte Carpenter. »Du hast ebenso wie ich gewusst, dass wir an Bord keinen Platz für diese Leute hatten!«
    »Yessir.« Hitchcock sprach, als wäre er mehrere Milchstraßen weit weg. »Das ist mir bewusst, Sir. Trotzdem, es kam zu einer Regelwidrigkeit, und es oblag uns, das zu melden.«
    Regelwidrigkeit! Verstoß! Oblag uns! Hitchcock redete auf einmal wie ein Schulmeister. Aus Carpenters Kehle stieg ein dunkler unartikulierter Laut. Am liebsten hätte er Hitchcock über Bord geschleudert. Aber Rennie und Nakata waren, ungeachtet des heftigeren Regens, aufgetaucht und beobachteten sie aus einiger Entfernung. Carpenter fragte sich, welcher Paragraph die Regelwidrigkeit bezeichnete, wenn ein Kapitän seinen Navigationsoffizier vor Zeugen in die Bucht von San Francisco werfen sollte.
    Er begriff nun, dass es verrückt gewesen war, ihnen zu befehlen, sie sollten ›vergessen‹, dass sie die Leute von der Calamari Maru im Stich gelassen hatten. Sie gehorchten ihm, aber sie waren nicht bereit, es zu vergessen. Und die einzige Möglichkeit für sie, sich der Verantwortung für das zu entziehen, was er dort draußen getan hatte, war eben die Anzeige gegen ihn gewesen.
    Carpenter dachte zurück an diesen Moment auf offener See, als sie die drei Dinghis von der kenternden Calamari Maru auf sich zurudern sahen. Seine eigene Ungerührtheit, Hitchcocks ungläubige Verblüffung.
    Und während er die Szene jetzt wieder vor sich sah, vermochte er kaum zu glauben, dass er so etwas getan hatte. Er hatte diese Menschen da draußen im Stich gelassen und dem Tod überantwortet, hatte sich abgekehrt und war davongesegelt, und damit hatte es sich. Regelwidrig, ja.
    Aber dennoch …
    Es gab doch keine andere Wahl, dachte er. Sein Schiff war zu klein. Der Eisberg fing an zu schmelzen. Sie hatten nicht genug Verpflegung für diese ganzen zusätzlichen Leute an Bord gehabt, auch nicht ausreichend Screen, überhaupt keinen Platz für Passagiere, nicht einmal für einen oder zwei …
    Das würde er bei dem 442-Hearing alles vorbringen. Es war eine Frage situationsbedingter Ethik, würde er erklären. Diese verdammte beschissene Welt! Das hatte Hitchcock gesagt, als er ihm befahl, die Boote nicht zu beachten. Ja, manchmal zwang dich diese verdammte beschissene Welt dazu, verdammte beschissene Dinge zu tun. Carpenter begriff, dass sein Verhalten als kaltschnäuzig und brutal erschienen war. Aber sie hätten alle draufgehen können, die Retter und die Geretteten. Und er hätte den Verlust seines Eisbergs riskieren müssen, vielleicht sogar sein Schiff, wenn er versucht hätte …
    Jetzt schauten sie ihn alle an. Und grinsten.
    »Zur Hölle mit euch!«, sagte er. »Ihr habt von gottverflucht nichts 'ne Ahnung.«
    Er ging mit finsterem Gesicht an ihnen vorbei und stieg wieder in seine Kabine hinab.
     
    Der Verwaltungsschuppen Vierzehn war ganz und gar kein Schuppen; es war eine Art tubusförmiger Raum, eine längliche enge graue Stahlröhre, die wie auf gut Glück an einer der oberen Etagen des verwickelten Gewebes von Gebäuden und Stegen angebracht war, welche die Betriebszentrale des Hafens von Oakland war.
    Und das Hearing war auch kein wirkliches Verhör. Jedenfalls nicht im wörtlichen Sinn. Denn Carpenters Stimme kam, außer in einigen kurzen Sätzen, überhaupt nicht zu Gehör. Es war eher eine Art formeller Information, dass ein Verfahren gegen ihn eingeleitet sei, ja eine Anklage gegen ihn erhoben. Ein Beamter der Hafenbehörde hatte den Vorsitz, ein gelangweilt wirkendes Teiggesicht namens O'Reilly oder O'Brian oder O'Leary – jedenfalls irgend etwas Irisches, doch Carpenter hörte den Namen nur zu Beginn und vergaß ihn beinahe sofort wieder. Während der ganzen Verhandlung steckte der Mann fast unablässig die Nase in seinen Visor und schaute Carpenter kaum an. Er hatte den Eindruck dabei, dass O'Reilly oder O'Brian gleichzeitig bei zwei oder drei Fällen präsidierte, von mehreren Computer-Outputs Informationen einholte, während er mit halbem Ohr dem Nölen der Anwälte vor sich zuhörte.
    Ein Mann im Siebten Rang von Samurai vertrat Carpenter, ein schmaläugiger plattgesichtiger Mann namens Tedesco, an den Wangen und auf der Stirn pockennarbig von einer wahrscheinlich allergischen Reaktion auf Screen. Dass sein Fall von einem Siebten Grad vertreten werden sollte, dass ein Siebener den

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