Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
bist.«
»Kaution? Steht mir denn ein Strafprozess ins Haus?«
»Nur eine amtliche Vernehmung«, sagte Tedesco. »Doch es besteht immer die Möglichkeit von Weiterungen, ein Strafverfahren, möglicherweise ein Zivilprozess, den die Vertreter der ausgesetzten Schiffbrüchigen anstrengen könnten. Der Hafen ist gegenüber den Zivilbehörden dafür verantwortlich, dass du dich ständig hier zur Verfügung hältst, bis die Sache entschieden ist. Wir haben uns dem Hafenamt gegenüber verpflichtet, und deshalb wurde keine Kaution erhoben, und deshalb bist du jetzt uns gegenüber verantwortlich, dafür zu sorgen, dass gegen den Beschluss nicht verstoßen wird. Wir glauben, dass du dich kooperativ verhalten wirst.«
»Selbstverständlich. Aber wenn es zu weiteren Anschuldigungen kommen sollte, zu weiteren Gerichtsverfahren nach diesem da …«
»Wir können nicht wissen, ob es dazu kommt. Eins nach dem anderen, klar, Carpenter? Und jetzt, wenn es dir nichts ausmacht …«
»Bitte, ich muss noch was wissen.«
»Also los.«
»Ich habe doch noch meine Elferprivilegien, ja? Wohnung und Lebensunterhalt?«
»Selbstverständlich. Du bist in keiner Sache schuldig gesprochen, Carpenter. Das Hafenamt ist nur bemüht herauszufinden, ob die gegen dich erhobenen Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen oder nicht. Und die Firma steht hinter dir. Vergiss das nicht. Die Firma steht hinter dir.« Er sagte das ganz ohne Wärme, doch es war die erste beruhigende Bemerkung, die er seit dem Einlaufen zu hören bekam. Die Firma steht hinter dir. Seine dumm-dumpfe gehässige Mannschaft, die geistig ganz und gar unfähig war, das Entscheidungsdilemma zu begreifen, vor dem er da draußen im Pazifik gestanden hatte, hatte ihn in diese Scheiße gebracht, aber die mächtige Riesenfirma würde nicht zulassen, dass ein nützlicher Elfer wegen Klassenkampfgeschichten den Wölfen vorgeworfen würde. Dessen war Carpenter sich nun ganz sicher. Bei dem eventuellen Hearing würde er aufzeigen, dass eine Rettung völlig unmöglich gewesen war, dass er gezwungen gewesen war, sozusagen eine Triage vorzunehmen, eine abwägende Entscheidung nach Schweregraden, dass er die Erhaltung seines Schiffs und das Überleben seiner Mannschaft gegen die Forderungen dieser inkompetenten fremden Meuterer hatte abwägen müssen, und dass er, bevor er beide Schiffe und Besatzungen ins Verderben schickte, indem er sein kleines Fahrzeug überfrachtete, mit schweren Bedenken und Gewissenspein die Besatzung der Calamari Maru zurückgelassen hatte, damit sie sich auf See allein durchschlage. Die Zeiten sind schwer, wollte er dem Gericht sagen, Entscheidungen schwer und hart. Mit der besten Absicht der Welt hätte er diese Leute nicht retten können. Und er hatte die beste Absicht gehabt. Es war doch wohl einsichtig, dass ein Mann von seiner Intelligenz und Unbescholtenheit nicht leichthin würde Schiffbrüchige dem Tode preisgegeben haben, wenn er eine andere Möglichkeit gesehen hätte. Das musste Tedesco doch sicher verstehen. Und O'Brien, O'Leary oder wie er heißen mochte, dem würde man es auch begreiflich machen. Die Anklage würde fallengelassen werden.
Und wenn das Ganze vorbei war, überlegte Carpenter, würde man es sich bei Samurai möglicherweise angelegen sein lassen, ihn aus dem Seedienst zu nehmen, wenn man bedachte, wie eine solche Geschichte am Ruf eines Mannes klebt, und er würde vielleicht ein, zwei Jahre lang nicht befördert werden; aber man würde ihm eine neue Stellung in irgendeiner anderen Abteilung anbieten, und wenn die Zeit reif war, würde alles in Ordnung kommen.
Ja, wenn die Zeit gekommen war.
Inzwischen goss es immer noch in Strömen. Die Luft im Freien hatte einen süßen, fast angenehmen Hefeduft, nur dass Carpenter sicher war, dies müsse von irgendwelchen ekligen, möglicherweise giftigen Schadstoffen herrühren, die normalerweise gebunden in der San Francisco-Bucht schlummerten.
Und was nun?
Zunächst eine Bleibe.
Als er von Spokane hergekommen war, um diesen Job anzunehmen, hatte ihm die Firma ein Apartment im Firmenblock des Marriott Hilton zugewiesen, drüben am Frisco-Ufer. Und da er ja noch immer ein Elfergrad war, ging es vielleicht in Ordnung, wenn er sich dort ein Zimmer nahm.
Aber als er dann die Wohnungsvermittlung über sein Flexterminal anrief und das Marriott verlangte, beschied man ihm, dass man für ihn bereits in einem Hotel namens Dunsmuir auf der Oaklandseite ein Zimmer reserviert habe. Daran beunruhigte ihn
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