Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
euch doch alle verkaufen und auffliegen lassen. Direkt zur Polizei gehen.«
»Aber weshalb solltest du so etwas tun?«
»Für Geld. Wofür sonst?«
»Ach«, sagte Farkas. »Aber nach einer Machtübernahme in Valparaiso Nuevo wären ganz andere Summen im Spiel, als irgendeine Polizeibehörde dir jemals bezahlen könnte. Nein nein, mein guter Freund, es gäbe nur einen einzigen Grund, weshalb du uns verraten könntest, und das wäre, wenn dich ein übertriebenes abstraktes Gerechtigkeitsgefühl beherrschte. Und vielleicht hegst du ja tatsächlich noch derartige Gefühle, sogar jetzt noch, nach deinen kürzlichen Erfahrungen. Doch ich bezweifle das sehr. – Sag mir eins, interessiert dich das, was ich dir gesagt habe, irgendwie?«
»Ich halte es immer noch für einen ziemlich gechmacklosen Witz.«
»Dann frag doch Mr. Enron. Frag Jolanda Bermudez. Sie sagt mir, ihr zwei seid Freunde. Oder? Dann vertraust du ihr ja vermutlich. Frage sie, ob ich es ernst meine. Bitte, Carpenter, geh und frag sie. Jetzt.«
Das alles war nicht wirklich. Ein groteskes Angebot aus dem blauen Nichts, von einem, der kaum menschlich aussah. Aber scheußlich verlockend, falls etwas dahinterstecken sollte.
Carpenter schaute durch das Zimmer zu Jolanda hinüber. Am vergangenen Abend hatte sie gesagt, dass dieser Farkas vielleicht bei Kyocera etwas für ihn auftreiben könnte, und er hatte dem kein bisschen Glauben geschenkt. Aber hatte sie das damit gemeint? Das?
Nein, das alles muss einfach ein übler Scherz sein, sagte er sich. Ein dummer kleiner Witz auf meine Kosten. Und Jolanda steckt bestimmt mit drin. Er würde zu ihr gehen und sie um eine Bestätigung dessen bitten, was Farkas ihm gerade eröffnet hatte, und natürlich würde sie es bestätigen, und so würde es weitergehen und weiter und weiter, und den ganzen Abend lang würden sie ihm immer mehr von diesem grandiosen Quatsch vorlabern, bis schließlich irgend jemand das Grinsen nicht mehr unterdrücken konnte, und dann würde das Riesengelächter losbrechen und …
Nein! Nicht mit ihm!
»Tut mir leid«, sagte er. »Aber ich bin momentan wirklich nicht in der Stimmung für Witze.«
»Wie du meinst. Dann vergiss mein Angebot, bitte. Es tut mir leid, dass ich es dir gemacht habe. Möglicherweise war es ein Fehler, dir soviel gesagt zu haben.«
Auf einmal hatte die Stimme von Farkas etwas Bedrohliches, und Carpenter empfand dies als unangenehm. Aber andererseits verriet es ihm auch, dass es sich wohl doch nicht um einen blöden Party-Witz handelte. Er hatte sich bereits abgewandt, um zu gehen, hielt dann aber inne und schaute dem Mann von Kyocera wieder in das bestürzende Gesicht.
»Du meinst das wirklich ganz ernst?«, fragte er.
»Absolut ernst.«
»Also, dann weiter. Sag mir mehr darüber.«
»Komm mit uns nach Los Angeles, wenn du mehr erfahren möchtest. Aber dann gibt es kein Zurück mehr für dich. Du gehörst dann zu uns; und dann kannst du dich nicht mehr von der Gruppe absetzen.«
»Du meinst es tatsächlich ernst.«
»Also glaubst du mir jetzt?«
»Wenn das ein Jux ist, Farkas, dann bring ich dich um. Und du glaubst mir besser, was ich sage, ich meine es ernst.« Carpenter fragte sich, ob er es wirklich so meinte.
»Es ist kein Jux.« Farkas reichte ihm die Hand. Nach kurzem Zögern ergriff Carpenter sie.
»Dinner ist auf dem Tisch!«, zwitscherte Jolanda aus einem anderen Raum.
»Wir reden später weiter«, sagte Farkas.
Unterwegs gesellte sich Nick Rhodes zu ihm und fragte: »Worum ist es denn dabei gegangen?«
»Eine merkwürdige Sache. Ich glaube, er machte mir ein Angebot.«
»Bei den Kyoceras?«
»Irgendwas Freiberufliches«, sagte Carpenter. »Ich bin da nicht sicher. Alles verdammt geheimnisvoll.«
»Magst du mit mir drüber reden?«, fragte Rhodes.
»Später.« Sie gingen ins Esszimmer.
Es wurde zwei Uhr morgens, ehe Carpenter seine Chance bekam, Rhodes von der Unterhaltung mit Victor Farkas zu berichten; nachdem sie von der Dinnereinladung in Rhodes' Wohnung zurück waren und Isabelle erklärte, sie könne nicht über die Nacht bleiben, weil sie am folgenden Tag zu einer Fachkonferenz nach Sacramento müsse, und endlich abzog. Dann standen die Freunde eine Weile in der stillen feuchtwarmen Nacht im Wohnzimmer und schauten auf die Bucht hinaus.
Obwohl es bei Jolanda ausgiebig zu trinken gegeben hatte, verlangte es Rhodes nach einem Schlummertrunk. Er förderte eine dunkle, seltsam geformte Flasche zutage, mit einem Etikett darauf, das
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