Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
neckische Appetithäppchen servierte. Gute Kleidung, ein perlgrauer Anzug, orangeroter Foulard, spiegelblank polierte Stiefeletten: kurz, ein hochgradiger Dandy. Vortretende Wangenknochen, kräftiges markantes Kinn. Und über alledem diese hohe glatte gebogene Stirn, diese wie hypnotisch den Blick auf sich ziehende Fläche leerer glatter Haut, wo alle anderen Augen und Brauen haben: diese monströse Missbildung, wie etwas aus einem Traum, etwas, das man nie im wirklichen Leben zu sehen erwarten würde. Nicht etwa nur ein blinder Mensch, sondern ein Mensch ganz ohne Augen. Und dennoch ließ nichts an den Bewegungen von Farkas den Schluss zu, dass er nicht sehen könne.
Carpenter nippte vorsichtig an einem Glas, knabberte an einem Brötchen, beobachtete die fluktuierende Szene.
Seltsame soziale Konstellationen bildeten sich, bestanden ein paar Augenblicke lang und lösten sich wieder auf. Beständig schwammen und schoben sich Leute im Raum herum.
Farkas und Enron – ein gewaltiger herrschaftlicher Brocken von Mann und ein kleiner Mann, angespannt wie eine fest aufgezogene Sprungfeder – sprachen in einer Ecke leise miteinander wie zwei ungleiche nicht zusammenpassende Geschäftsleute, die über einen Deal hecheln, von dem sie sich bald Erfolg erhoffen. Möglich, dass sie genau das waren.
Dann trat Farkas zu Jolanda. Die beiden standen eng beisammen, und Enron schaute von drüben säuerlich zu ihnen herüber. Farkas schien unverkennbar von Jolanda fasziniert zu sein, seine ganze Haltung morste intensives Interesse an der Frau. Die Schultern vorgezogen, der gewaltige Kuppelschädel zu ihr hinabgeneigt; er benutzte offenbar irgendeine extrasensorische Röntgenwahrnehmung und schaute glatt durch Jolandas prächtiges scharlachrotes Zeltkleid bis in die darunter schwellende fleischige Nacktheit.
Und sie genoss es. Sie errötete wie ein Schulmädchen, sie wand sich, wackelte geschmeichelt vor Vergnügen, und warf sich ihm fast an den Hals. Es sah tatsächlich so aus, als verabredeten sich die zwei direkt vor den Augen Enrons ins Bett. Enron jedenfalls sah so aus, als vermutete er das. Sein finsteres Gesicht war höchst ausdrucksvoll. Und dann kam Isabelle dazwischen, lenkte Enron ab und zog ihn beiseite. Weibliche Loyalität gegen die Freundin, dachte Carpenter. Schaff den Israeli aus dem Weg, damit Jolanda ihre Netze auswerfen kann. Nicht dass es bei Farkas viel Mühe zu machen schien, ihn zu fangen.
Und dann sprach Enron mit Nick Rhodes. Noch ein weiteres Interview? Jolanda ging zu den beiden hinüber. Rhodes und Jolanda tauschten merkwürdig vertraulichverständnisvoll ein Grinsen, aber nur ganz flüchtig. Carpenter fiel wieder ein, was Rhodes ihm damals abends bei dem Essen in Sausalito über Jolanda gesagt hatte, und er begriff, dass Jolanda mit so ziemlich jedem Mann hier im Raum im Bett gewesen sein musste, und dass sie darauf auch noch stolz war.
Und die Dinge veränderten sich weiter. Am Ende fand Carpenter sich im Gespräch mit Farkas. Natürlich hatte Jolanda ihn zu ihm herüber gebracht und gesagt: »Und das ist unser Freund Paul Carpenter. Du erinnerst dich doch? Ich habe dir von ihm erzählt.« Und sie bedachte beide mit einer Ladung lächelnder Herzlichkeit und glühenden Augenblitzen und entschwebte wackeltänzelnd in Richtung Enron.
»Du bist ein Samurai-Mann?«, sagte der Augenlose direkt. »Kapitän eines Eisbergschleppers, wie ich höre.«
»Das war ich mal«, sagte Carpenter brüsk. Die Abruptheit, mit der Farkas ein Gespräch eröffnete, verblüffte ihn. Er blickte zu dem eine Handbreit größeren Mann auf, seinen Blick auf die dunkel verschattete Stelle gerichtet, wo eigentlich die Augen hätten sein müssen. »Es gab da einen kleinen Skandal wegen eines Vorfalls auf See. Ich wurde entlassen.«
»Ja. Davon wurde ich unterrichtet. Aber ich war eigentlich überzeugt, dass man bei Samurai nur ganz selten Angestellte gehen lässt.«
»Auf der anderen Seite waren Leute von Kyocera betroffen. Es gab eine Seeamtsuntersuchung. Die Sache sah übel für das Image meiner Firma aus. Zu übel. Also entschied man sich dafür, mich für abkömmlich zu halten, und drückte allen Beteiligten gebührend das tiefste Bedauern aus.«
»Ja, das sehe ich«, sagte Farkas. Von ihm klang die Formulierung sehr abwegig. »Und jetzt? Hast du schon irgendwelche Pläne?«
»Ich hab dran gedacht, vielleicht eine Bank zu überfallen. Oder die Tochter von einer Einsernummer zu kidnappen und Lösegeld zu fordern.«
Farkas
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