Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Farkas. »Das ist Dr. Wu, ganz bestimmt. Achte darauf, wie er reagiert, wenn er mich sieht, dann wirst du mir glauben.«
    »Trotzdem verstoßen wir gegen das Asylgesetz. Er braucht bloß nach der Guardia Civil um Hilfe zu rufen.«
    »Wir müssen ihm eben sofort klarmachen«, sagte Farkas, »dass das sehr töricht wäre. Kannst du mir folgen?«
    »Aber ich soll ihn nicht verletzen«, sagte Juanito.
    »Nein, auf gar keinen Fall greifst du ihn an. Du demonstrierst nur, dass du zur Gewaltanwendung bereit bist, sollte es sich als nötig erweisen.« Farkas wies fast unmerklich mit dem Kopf zu der Frau am vordersten Tischchen des Cafés hin. »Also, gehen wir jetzt! Du gehst zuerst und fragst höflich, ob du dich mit an den Tisch setzen kannst, und machst ein paar belanglose Bemerkungen über die Sonnenfinsternis. Ich komme so etwa dreißig Sekunden später nach. Alles klar? Guter Junge. Und jetzt, los!«
     
    »Ihr müsst verrückt sein!«, sagte die rothaarige Frau, und sie klang wirklich ärgerlich und gereizt. Dabei schwitzte sie bemerkenswert heftig, und ihre Finger schlangen sich ineinander wie verschreckte Vipern. »Ich bin weder irgendein Doktor, und mein Name ist auch nicht Wu oder Fu, oder was ihr gesagt habt, und ich gebe euch genau zwei Sekunden Zeit zu verschwinden und mich in Ruhe zu lassen.« Aber die Frau schien nicht fähig, die Augen von der glatten leeren oberen Gesichtspartie von Farkas abzuwenden. Juanito begriff, dass er sich mittlerweile ganz gut an dieses seltsame Gesicht gewöhnt hatte, dass aber Farkas auf andere Leute wie eine Monstrosität wirken musste.
    Farkas bewegte sich überhaupt nicht. Dann sagte die Frau mit ganz anderer Stimme ruhiger, als wäre sie jetzt nur neugierig geworden: »Was für ein Ding bist du überhaupt?«
    Sie ist nicht Wu, entschied Juanito.
    Der echte Wu hätte eine solche Frage nie stellen können. Der wirkliche Wu hätte Bescheid gewusst. Und er wäre geflohen. Und außerdem, das da war eindeutig eine Frau. Absolut überzeugend die Wangen, der Haaransatz, das weiche Fleischpolster unter dem Kinn. Frauen unterschieden sich an allen diesen Stellen von Männern. Auch ihre Handgelenke. Und wie sie saß. Und viele andere Anzeichen. Es gab einfach keine Genchirurgen in der Welt, die geschickt genug gewesen wären, ein derart überzeugendes Retrofitting durchzuführen. Juanito besah sich verstohlen die Augen, um zu entdecken, ob da noch eine Spur der ›Mongolenfalte‹ sichtbar sei, doch da war nichts. Die Augen waren graublau. Und die Chinesen hatten doch alle braune, dunkle Augen, oder? Aber so etwas ließ sich ja schließlich leicht ändern, dachte Juanito.
    Farkas beugte sich dicht und bedrohlich zu der Person und sagte mit gedämpfter erregter Stimme: »Du weißt ganz genau, was ich bin, Doktor. Mein Name ist Victor Farkas. Ich kam während des Zweiten Aufbruchs in Taschkent zur Welt. Meine Mutter war die Frau des ungarischen Konsuls, und du hast an dem Fötus in ihrem Leib eine Genspleißung vorgenommen. Das war damals dein Spezialgebiet, die gentechnische Umgestaltung. Du erinnerst dich nicht mehr daran? Du hast meine Augen zerstört, Doktor, und mir an ihre Stelle die Blindsicht gegeben.«
    Die Frau senkte den Kopf und blickte dann weg. Farbe stieg in ihre Wangen. Eine heftige innere Erregung schien sie ergriffen zu haben. Juanito wurde in seiner Überzeugung erneut unsicher. Vielleicht gab es tatsächlich Genchirurgen, die einen dermaßen perfekten Retrofit durchführen können, dachte er.
    »Kein Wort davon ist wahr«, sagte die Frau. »Ich habe noch nie etwas von dir gehört, und ich war auch niemals an einem Ort, wie du ihn genannt hast. Du bist weiter nichts als ein geistig Verwirrter. Ich kann dir beweisen, wer ich bin. Ich habe Papiere. Du hast kein Recht, mich derart zu bedrängen!«
    »Ich beabsichtige nicht, dir irgendwie Schaden zuzufügen, Doktor.«
    »Ich bin kein Doktor.«
    »Könntest du wieder einer werden? Für einen Preis?«
    Juanito drehte sich herum und sah Farkas an. Mit einer solchen Wendung hatte er nicht gerechnet.
    Der große Mann lächelte freundlich, saß vorgebeugt da und wartete auf eine Antwort.
    »Ich werde mir das nicht weiter anhören«, sagte die Frau. »Du lässt mich jetzt sofort in Ruhe, oder ich rufe die Streife.«
    Farkas sagte: »Hör mir jetzt ganz genau zu, Dr. Wu. Wir haben da ein Projekt, das für dich von großem Interesse sein könnte. Ich vertrete eine Technikergruppe, die ein Tochterunternehmen einer Gesellschaft ist,

Weitere Kostenlose Bücher