Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
also es war Colonel Olmo. Wir haben ab und zu geschäftlich miteinander zu tun. Wir sind Freunde, sozusagen.«
»Heilige Gottesmutter Maria!«, krächzte Juanito und machte eine Geste, die Farkas als Bekreuzigung erkannte: ein laterales und vertikales Hüpfen der mittleren Paare der sechs blauen Kugeln, die für ihn Juanitos sichtbaren Körper ausmachten. »Du und Olmo, ihr seid amigos? Und du kannst ihn einfach so anrufen und mit ihm reden. Dann bin ich echt im Arsch.«
»Ja, das bist du wirklich«, sagte Farkas. » Todo jodido, heißt das nicht so bei euch?«
»Si«, sagte Juanito kläglich. » Estoy jodido, völlig und ganz im Arsch!« Er wandte sich ab und blickte ins Leere. Wu gab ein dünnes Kichern von sich. Wie hübsch für ihn, dachte Farkas. Er kann sich über Juanitos Bedrücktheit amüsieren. Das bedeutet, er hat aufgehört, sich um seine eigene Sicherheit Gedanken zu machen. Die Vorstellung gefiel Farkas, dass die Person, die ihm sein eigenes Leben so beiläufig und leichthin irreparabel verändert hatte, vor vielen Jahren, immer noch grundsätzlich indifferent gegenüber den Umständen geblieben war, ein gefühlloser Techniker, emotionslos wie eine Naturgewalt.
Sekunden später sah Farkas aus der Richtung, in die Juanito starrte, zwei Schatten zielstrebig auf sich zukommen: ein rotes Tetraeder auf Spillerbeinchen und ein senkrechtes smaragdgrünes Säulenpaar, das durch drei parallele goldene Streifen verbunden war. Das musste die örtliche Guardia-Streife sein, erkannte er. Olmo arbeitete rasch. Aber, natürlich honorierten K-M ihn sehr großzügig für seine Kooperation. Und Valparaiso Nuevo war ein sehr gut funktionierender Polizeistaat, und die Guardia verfügte wahrscheinlich über hervorragende Kommunikationstechniken.
»Mister – Farkas?« Das war das Tetrahedron, das ihn ansprach. Ein leises Zögern in der Stimme, ein unmerkliches Verzögern der Aussprache der Wörter. Farkas wusste, was das bedeutete: Beim ersten Anblick seines augenlosen blanken Gesichts reagierten die Leute oft so. »Colonel Olmo hat uns herbefohlen. Zwei Männer, sagte er, die wir mitnehmen sollen.« Es klang recht unsicher.
»So genau habe ich mich ihm gegenüber nicht geäußert. Ich sagte, zwei Personen, mehr habe ich nicht gesagt. Ein Junge und eine alte Frau, das nur nebenbei«, sagte Farkas. »Die zwei da.«
»Jawohl, Sir. Freut mich, zu deinen Diensten zu sein, Sir.«
»Olmo hat euch doch klargemacht, dass den beiden nichts geschehen darf? Ist das klar? Ich wünsche nicht, dass ihr sie verletzt. Setzt sie einfach in Gewahrsam, bis die Deportationsformalitäten abgeschlossen sind. Habt ihr mich verstanden?«
»Jawohl, Sir. Selbstverständlich, Sir.«
Farkas sah zu, wie sie Juanito und Wu wegführten.
Jetzt, da er nicht mehr zwei Gefangene zugleich zu bewachen hatte, erlaubte er es sich, sich zu entspannen. Er lehnte sich zurück und betrachtete die Szenerie der gepflasterten Plaza.
Eine seltsame Leere kam über ihn.
Seine Aufgabe hatte er erfüllt, ja, und bemerkenswert leicht. Dennoch war es schon seltsam, Wu nach all diesen Jahren, in denen er sich ausgemalt hatte, was er mit dem Mann machen würde, falls er ihn jemals ausfindig machen sollte, einfach so davonkommen zu lassen, ohne irgend etwas gegen ihn zu tun.
Verkleidet als eine ältliche zimperliche Frauensperson. Schön, schön, schön!
Es wäre verdammt leicht gewesen, dort hinten in der düsteren Mondsplit-Abgeschiedenheit der Hülle, Wu die Daumen auf die Augäpfel zu legen und zuzudrücken. Aber damit hätte er selber ja nicht das normale Sehvermögen gewonnen, das man ihm vor seiner Geburt fortgenommen hatte. Und er war sich nicht einmal sicher, ob er sich das normale Sehvermögen zurückwünschte, jetzt noch … aber es Wu heimzuzahlen, das hätte ihm schon eine gewisse Befriedigung verschafft.
Doch es war auch wichtig, dass er sich mit diesem einen kleinen Augenblick selbstsüchtiger Rache seine Karriere zerstört hätte, und die verlief bisher recht befriedigend, ja höchst erfolgreich in vielerlei Hinsicht. Es hätte sich also für ihn nicht gelohnt.
Und dieser Junge …
Farkas fühlte dabei keine Gewissensbisse. Der Junge würde leiden – na schön! Er war ein betrügerischer kleiner Köter, der sich exakt so verhalten hatte, wie Farkas es erwartet hatte. Er hatte sich an den Höchstbietenden verkauft, genau wie sein Vater das vorher anscheinend getan hatte. Der Kleine hatte eine Lektion nötig. Und die würde er bekommen, und eine
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