Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
ihre Generation die letzte der menschlichen Rasse sein wird, dass irgendeine gigantische scheußliche Öko-Katastrophe bevorsteht, über uns hereinbricht und uns alle auf die allergrässlichste Weise vernichten wird. Sie steckt voll Wut und Empörung.«
»Dazu hat sie berechtigten Grund, denke ich. Allerdings glaube ich, sie ist damit hundert Jahre zu früh dran. Trotzdem – Selbsttötung …«
»Es ist die äußerste Demonstration der Wut und Auflehnung. Der Welt ins Gesicht zu spucken. Das eigene Leben wegzuwerfen zum Zeichen des Protests.«
»Und du glaubst ernstlich, sie wird?«
»Ich weiß es nicht. Es wäre durchaus möglich.« Isabelles gespanntes Gesicht hat sich verändert: Zweifel, Furcht, Unsicherheit zeichnen sich jetzt da ab. Ganz ungewöhnlich bei ihr. Unbewusst zupft sie an ihren Haaren herum, verknotet sie. Dann wandert sie auf und ab. »Mich beunruhigt dabei, dass die Sache meine beruflichen Kapazitäten übersteigen könnte. Ich bin Therapeut, ich bin kein Psychiater. Ich überlege, ob ich sie nicht weiterverweisen sollte.«
Sie debattiert nur mit sich selbst, davon ist Rhodes nun überzeugt. Aber es ist ja immerhin möglich, dass sie von mir irgendein Zeichen erwartet, dass ich ihr zuhöre.
»Also, sicher, wenn du denkst, es besteht irgendwie die Gefahr …«
Die Stimme nun leiser, weicher. Die Therapeutenstimme. »Aber es wäre ein Vertrauensbruch. Angela und ich haben eine feierliche Abmachung. Ich bin da, um sie zu leiten. Sie vertraut mir. Ich bin der einzige Mensch, zu dem sie Vertrauen hat.« Dann wird die Stimme wieder härter. Abrupter Wechsel. Stählerne Härte. Wilder Blick. Isabelle springt mit Lichtgeschwindigkeit von einer Stimmung in die andere. »Aber wozu rede ich über das alles überhaupt mit dir? Du kannst unmöglich verstehen, wie tief ihre Ängste sitzen. Verstehst du nicht, wenn ich sie an diesem schwierigen kritischen Zeitpunkt zur Konsultation an einen Außenstehenden überweise, sie einem ihr völlig fremden Menschen ausliefere …«
»Aber wenn du doch befürchtest, dass sie sich umbringen könnte …«
Seine Behutsamkeit schüttet nur neues Öl ins Feuer. Isabelle flammt auf wie eine Fackel. »Hör mal zu, Nick! Das ist meine Entscheidung! Hier geht es um eine Übertragung, die dich nichts angeht und die gänzlich über deine bornierte Begriffskapazität hinausgeht, eine komplizierte interpersonelle Transaktion zwischen diesem verwirrten Mädchen und dem einzigen menschlichen Wesen auf Erden, das sich ehrlich um sie sorgt, und es ist, verdammt noch mal, nicht deine Sache, deine blöde laienhafte Meinung …« Sie bricht den Satz ab, blinzelt wie jemand, der aus einer Trance erwacht, atmet in heftigen Zügen Luft ein, als wäre sogar ihr klargeworden, dass sie jetzt etwas zu weit mit ihm gegangen ist.
Ein kurzes Schweigen. Rhodes wartet.
»Ach, das ist alles ganz falsch«, sagt sie dann.
»Was ist falsch?«
»Was wir machen, du und ich. Wir sollten uns nicht über sowas streiten.« Isabelles Stimme ist jetzt angenehm weich.
»Nein.« Er ist enorm erleichtert. »Völlig richtig. Wir sollten uns überhaupt über nichts streiten, Isabelle.«
Sie scheint tatsächlich bereit, ihre Wut, ihre heftige Feindseligkeit zu bedauern. Er glaubt fast die kreisenden Rädchen in ihrem Kopf zu hören.
Er wartet, will sehen, was noch kommt.
Und dann, abrupt und ohne Vorwarnung, wechselt sie einfach das Thema.
»Lass uns von was anderem reden, ja? Weißt du, dass Jolanda sich weiter mit diesem Israeli trifft? Ich dachte, du hast sie mit deinem Freund Paul verkuppelt.«
Rhodes legt ebenfalls so rasch wie möglich einen anderen Gang ein, er ist glücklich darüber, dass er sich nicht weiter mit den Problemen der verzweifelten Angela befassen muss. »Paul wollte damals nur ein bisschen nette Gesellschaft für diese eine Nacht. Außerdem, er ist jetzt draußen auf See. Aber der Israeli – heh! Wie oft hat sie sich denn mit ihm getroffen?«
»Seit damals in Sausalito jeden zweiten Abend.«
Rhodes überdenkt das. Im Grunde ist es ihm egal, nur sind Jolanda und Isabelle eben enge Freundinnen, und damit bestand die Gefahr, dass ihm bald wieder ein weiterer unangenehmer Abend in Enrons Gesellschaft aufgezwungen werden könnte.
Isabelle sagt: »Weißt du, er hat sie zu einem Trip eingeladen.«
»Einen Trip? Wohin?«
»Irgendeins von den Raum-Habitaten. Ich weiß nicht mehr, welches.«
Rhodes lächelt. »Ein schlauer Hund, was? Jolanda gibbert seit Jahren schon danach, mal zu
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