Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
erwarten, bis du irgendwo anders in einer neuen Sache landest. Also? Wie ist es nun damit, Paul? Möchtest du immer noch weg aus Spokane?«
»Was? Verdammt, und wie! « Sein Puls hatte zu rasen begonnen. Er hasste Spokane. Seine Arbeit als Wetterfrosch in dem gottverlassenen Hinterwäldlernest kam ihm sowieso wie ein Irrweg vor, wie eine Sackgasse im Leben.
»Ich kann dich dort rausholen, falls du willst. Wie würdest du es finden, Käpt'n auf See zu sein?«
»Ein Kapitän auf See«, wiederholte Carpenter ausdruckslos. »Kapitän …« Jetzt hatte sie ihn doch aufgeschreckt. Damit hatte er nicht gerechnet. Als hätte sie ihn gefragt, ob er gern ein Flusspferd sein wollte.
Er fragte sich, ob Jeanne ihn einfach nur zum Spaß anrief, vielleicht, um ihn auf die Schippe zu nehmen. Aber für ihn war es noch zu früh am Tag, als dass er so etwas komisch gefunden hätte. Und außerdem, es passte gar nicht zu Jeanne, so etwas zu tun.
»Redest du im Ernst?«, fragte er. »Für Samurai?«
»Selbstverständlich für Samurai. Ich kann für dich keine Karriereumorientierung arrangieren, leider. Aber wenn du möchtest, kann ich für dich einen Transfer erreichen. Von San Francisco segelt demnächst der Eisbergschlepper Tonopah Maru. Sie suchen einen Ersten Offizier, Salaryman-Stufe Elf. Kam heute morgen über das Personalnetz. Du bist doch Grad Elf, Paul?«
Carpenter wollte nicht als undankbar erscheinen. Jeanne war ein liebes Mädchen, und sie hatte seine Interessen im Sinn und sorgte sich darum. Doch das jetzt verschlug ihm dennoch zunächst die Sprache.
»Verdammt, Jeanne, was verstehe ich schon von der Führung von Trawlern, die Eisberge abschleppen!«
»Und was, verdammt, hast du von Metereologie gewusst, oder vom Chiprunning? Oder von all den anderen Jobs, die du gemacht hast, als du damit anfingst? Gott gibt den Seinen. Gott und Samurai Industries. Die bringen dir schon bei, was du dabei brauchst. Das weißt du doch. Du kriegst den passenden Indoktrinationskubus, du schiebst ihn dir rein, und zwei Stunden später bist du als Nautiker mindestens ebenso perfekt, wie Kolumbus es jemals war. Aber natürlich, wenn du was gegen Matrosen hast …«
»Nein. Gar nicht. Erzähl mir mehr darüber. Gibt es bei dem Job Aufstiegschancen?«
»Klar doch kannst du dabei aufsteigen. Du verpflichtest dich für anderthalb Jahre auf deinen vollgepackten unbequemen engen Kahn, harpunierst Eisberge und hältst deine renitente, aber kompetente Crew unter Kontrolle, dann schaffst du sicher Grad Zehn. Demonstration von Führungsqualität unter widrigen Bedingungen. Und dann werden sie dich nach Europa versetzen und auf die Administrationsschiene schicken, und dann kannst du dich bequem in deinem Sessel zurücklehnen. Und dann steigst du glatt im Netz auf nach New Tokyo. Ich hab sofort an dich gedacht, als das heute rüberkam.«
»Und weshalb ist der Posten noch nicht besetzt?«, fragte Carpenter. Normalerweise wurden offene Stellen, gleichgültig, wie scheußlich die Arbeit sein mochte, wenn damit die Hoffnung auf Rangverbesserung verbunden war, sofort im Haus weggeschnappt, bevor sie überhaupt in den Generalcomputer der Firma zur Ausschreibung gelangten. »Wieso hat keiner von der Trawler-Truppe sich den Job sofort geangelt?«
»Das hat auch einer«, antwortete Jeanne. »Gestern. Aber zwei Stunden später kam sein Los in der Lotterie, und er hat sich in eines von den Habitaten abgesetzt, plötzlich und einfach so, hat sich ein Shuttle geschnappt und vorher noch nicht einmal seinen Kram gepackt. Ein Job auf Outback war es, glaube ich. Oder vielleicht Commonplace. Die Firma hatte keinen qualifizierten Ersatzmann, und die Personalabteilung wurde angewiesen, rasch mit einem Elfer einzuspringen. Beim ersten Durchlauf tauchten fünf Namen auf, und du warst dabei. Also habe ich mir gedacht, ich rufe dich erst einmal an, bevor ich die anderen vier Typen durch die Checks laufen lasse.«
»Wie lieb von dir!«
»Hab ich mich umsonst bemüht?«
»Ich liebe dich, Jeanne!«
»Weiß ich. Aber wie nun – willst du den Job?«
»Weißt du den Zeitrahmen?«
»Fünf Wochen Übergangszeit. Das reicht, um deinen Ersatz in Spokane in deine Wetterfroschdetails einzuarbeiten; dann ab nach Frisco für deine Indoktrination und Anpassung, und vielleicht kannst du dann sogar noch ein paar Tage für Paris abzweigen – für ein anständiges Essen und das aufregende Nachtleben, falls du sowas noch durchhältst.«
Jeannes Gesicht wirkte spöttisch, wie
Weitere Kostenlose Bücher