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Der Held und die Feuergöttin

Der Held und die Feuergöttin

Titel: Der Held und die Feuergöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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rollte sich schnell ab. Dann schlug der Stab gegen Stein. Mythor holte das Seil ein, ließ den Fuß dort darauf stehen, wo es sich abzurollen aufgehört hatte, und maß so die Entfernung bis zur gegenüberliegenden Felswand.
    »Fünf oder sechs Mannslängen«, murmelte er.
    Für Tukken bedeutete der Riß kein großes Hindernis. Sie sahen im Dunkeln, und sie konnten fliegen - und dabei offenbar noch einen Menschen tragen.
    Mythor nahm den Stab wieder auf und warf ihn erneut. Erst beim drittenmal prallte er nicht von glattem Fels ab, sondern blieb
    irgendwo dort in der Finsternis liegen.
    »Der Stollen setzt sich also fort«, knurrte Mythor. Vorsichtig zog er an der Leine, bis der Stab in die Tiefe rutschte und fünf Mannslängen unter seinen Füßen gegen den Fels schlug. Er wiederholte den Versuch, immer und immer wieder, bis der Anker sich endlich verhakte.
    Mythor zog am Seil, stemmte sich zurück und legte all seine Kraft in einen gewaltigen Ruck. Der Stab hielt.
    Schweigend hockte er sich hin und zog das Seil ganz straff. Dann knotete er es so um eine in der Mitte des Ganges schroff in die Höhe zeigende kleine Felsnadel, daß er es, einmal auf der anderen Seite angekommen, durch Auf- und Abschwingen wieder lösen konnte.
    Dies getan, holte er tief Luft, überprüfte Altons Sitz und schob die Beine über den Abgrund, umklammerte das Seil mit beiden Händen und ließ sich in die Tiefe gleiten. Für einen Moment hielt er den Atem an. Nichts geschah. Kein Knoten löste sich.
    Mythor hangelte sich ein Stück weiter, bis er auch die Füße über das Seil legen konnte.
    Als er sich so über den Abgrund schob, tat er es in dem Bewußtsein, daß kein Tukke oder ein anderes Geschöpf der Finsternis sein Leben zu riskieren brauchte, um ihn nun zu töten.
    Es genügte vollkommen, den Strick an einem Ende zu durchtrennen oder die Verankerung zu lösen.
     
     
    *
     
    Fünf Mannslängen nichts als heiße Luft und Finsternis. Die Hände lösen, eine nach der anderen, sich weitertasten, wieder das Seil umklammern und die Beine nachziehen. Die Hände lösen und…
    Sie waren feucht vom Schweiß. Zeitweise kam Mythor mit den Füßen besser voran als mit ihnen. Das dünne Fell gab ihm Gefühl, ließ ihn die Fersen über den Strick schlagen und jede Unsicherheit ausgleichen.
    Wie lange noch, bis seine Fingerspitzen wieder etwas berührten? Mythor hing für einige Augenblicke über dem Nichts, um sich die schweißnassen Hände am Raubkatzenfell eine nach der anderen abzustreifen. Unwillkürlich starrte er dabei nach unten. Altons Schein fiel auf das Seil, zwei Fuß in jeder Richtung. Dann verschwand es in der Schwärze, als gäbe es keinen Anfang und kein Ende.
    »Wie ein Braten auf dem Spieß«, murmelte der Krieger aus dem Norden. Und er wußte: Ramoa könnte diese Vorstellung wahrmachen, sollte es ihr jetzt belieben, die Feuer des Vulkans erneut zu wecken.
    Mythor biß die Zähne aufeinander und schob sich weiter. Endlich ertastete seine Hand soliden Fels. Sie fuhr daran hoch, bis sie sich über die Kante schieben ließ. Ein letztesmal zog Mythor die Beine an, drückte sich auf die Wand zu und suchte vorsichtig nach dem Holzanker. Seine Finger fanden, am Seil entlangfahrend, eine Rille im Gestein, hinter der sich eine Mulde befand. Sie berührten den Stab.
    Mythor zog sie zurück, suchte nach einem guten Halt, fand ihn und löste die Beine vom Strick. Sein Körper schlug nach unten gegen die Wand, die er nun endlich sehen konnte. Für die Dauer eines Atemzugs hing er so am Rand des Abgrunds. Dann spannte er seine Muskeln und zog sich so weit in die Höhe, daß er in den Stollen blicken konnte.  Er erstarrte, als er die beiden glühenden Augen sah, rote Punkte in der Dunkelheit. Seine Gedanken überschlugen sich. Er kniff die Augen zusammen, wie um ein Trugbild zu verscheuchen. Und tatsächlich, als er wieder in den Stollen blickte, waren die glühenden Punkte verschwunden.
    Aber er hatte sie gesehen! Wenn hier Tukken lauerten, hatten sie sich blitzschnell in eine Deckung geworfen, um dort auf ihn zu warten. Aber warum taten sie nicht das viel Einfachere?
    Reichte ihr dämonischer Verstand nicht soweit?
    Mythor wollte es nicht darauf ankommen lassen. Einmal festen Boden unter den Füßen, mochte er eine Chance gegen sie haben, hier nicht. Er zog sich hoch, schob sich in den Stollen und zog schnell die Beine nach, sprang auf und riß das Gläserne Schwert aus dem Gürtel.
    Nichts geschah. Keine entartete Kreatur schälte sich aus

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