Der Held und die Feuergöttin
sah es so aus, als rückte das Ende der Welt heran.
Ramoa flehte, und sie kniete auch nun wieder vor ihrem Altar im schmucklosen Innern des kleinen, viereckigen Tempels, als sie aus ihrer Versunkenheit gerissen wurde.
Irgend etwas hatte sich verändert, etwas im vertrauten Geräusch des sich mahlend durch den Graben schiebenden Magmas. Es war kaum wahrnehmbar. Dennoch schlug alles in Ramoa Alarm. Unwillkürlich wartete sie auf die Schreie der Tukken und fragte sich, ob nun der Augenblick gekommen sei, vor dem sie sich so lange hatte fürchten müssen. Ihre Magie reichte dann nicht mehr aus, die Geschöpfe der Nacht zurückzuschaudern. Im Grunde genommen war es keine Magie im herkömmlichen Sinn. Ramoa beherrschte das Feuer des Berges nicht wirklich aus sich heraus. Was sie tat, wenn sie ihren Zauber wirkte, war nichts als das Befolgen von Weisungen, das Umsetzen von dem in die Tat, was sie während ihrer langen Lehrzeit als Anwärterin gelernt hatte. Sie tat dieses und jenes, murmelte diese und jene Beschwörungen, und der Berg gehorchte ihr, ohne daß sie wußte, warum dies so war. Oft hatte sie den Eindruck gehabt, ihre Lehrerinnen wußten es selbst nicht. Und es ging das Gerücht, daß auch sie nur das wiederholten, was sie von anderen, deren Heimat nicht das Inselreich war, gelernt hatten.
Nein, dachte sie bitter, während sie sich langsam vor dem Altar aufrichtete. Nein, eine mächtige Göttin des Feuers bin ich fürwahr nicht!
Und ihre einzige Waffe war das, was die Tau ihren »zwingenden Blick« nannten.
Doch vergeblich hatte sie versucht, dadurch die Tukken zu beeinflussen.
Ramoa stand nicht auf. Sie wollte nicht sehen, was nun außerhalb des Tempels geschah. Wenn der Magmagraben erstarrt und die Dämpfe verzogen waren, so waren noch schrecklichere Mächte am Werk, Mächte, denen sie nichts mehr entgegenzusetzen hatte.
So blieb ihr nur eines zu tun.
Sie wandte sich nicht um, obschon sie bereits die Nähe des Bösen spürte. Viel Zeit blieb ihr nicht, doch bevor sie starb, mußte sie die Dinge in Bewegung setzen. Nach ihrem Tod gehörte der Berg den Eroberern, den Dämonen, und sie würden sich über die Insel ausbreiten und Schlimmeres als den Tod über die Tau bringen.
Das sollte niemals geschehen!
Ramoa weckte den Berg. Diesen Zauber wenigstens besaß sie. Und sie konnte sich keinen schrecklicheren vorstellen für jene, die in den Gluten für alle Zeit ausgelöscht werden sollten.
*
Mauni führte die Tukken über das erkaltete Magma des Grabens. Sie ging als erste darüber, wartete auf halbem Weg zum Tempel und dirigierte die Tukken mit herrischen Bewegungen. Fast lautlos verteilten sich die Purpurnen um die Stätte, wo sie sich niederkauerten und auf Maunis Zeichen warteten.
Die Dämonisierte aber schritt erhobenen Hauptes auf die Tempelstufen zu, auf die kleine Treppe vor dem einzigen Tor, das ins Innere des lächerlichen Bauwerks führte, lächerlich wie jene, die in ihm wohnte, ob es nun Ramoa oder alle anderen »Göttinnen« vor ihr waren.
Der Tempel war nicht einmal halb so groß wie die Statue der Kanea-Um-Boro, hatte vier glatte Mauern und ein Kuppeldach. Und sie, Mauni, hatte es Ramoa geneidet, daß sie ihr vorgezogen worden war! Sie hatte sie dafür hassen gelernt. Mauni dankte nun den Dämonen dafür, daß es anders gekommen war. Ramoa war ein Nichts, ein Dorn in der Haut der wahrhaft Mächtigen.
Ein Dorn, den es nun herauszuziehen galt.
Vor den Stufen machte die Besessene halt, drehte sich noch einmal um und betrachtete voller Genugtuung die erstarrte Glut. Es hatte nicht mehr als einer Handbewegung und einiger geflüsterter Worte bedurfte, sie zu loschen und die Dampfschwaden aufzulösen. Und mit dem Schnippen eines Fingers konnte sie Ramoas Leben beenden.
Sie lachte lautlos. Das war zu einfach, zu gnädig für die Verhaßte. Denn der Haß war geblieben, hatte neue Nahrung gefunden. Niemand stellte sich ungestraft gegen die wahre Macht!
»Wohlan, du kleine Schlange«, flüsterte Mauni. »Ich werde dich nicht gleich zertreten. Du sollst langsam sterben und Zeit haben, deine ganze Ohnmacht zu erkennen.«
Sie betrat die Stufen, ließ sich Zeit. Der Tempel war umstellt. Nichts und niemand rettete die Verhaßte mehr. Ein Wort nur, ein Fingerschnippen, und die Tukken zerfetzten sie in der Luft.
Oh nein, dachte Mauni. Nicht so einfach, Ramoa.
Sie trat durch das offenstehende Tor und sah die Tau vor ihrem Altar knien. Die Fetische an den Wänden und längs des Weges
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