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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Es war der Taxifahrer, ein kleiner, magerer Mann in einem verschwitzten Nylonhemd. Er machte ein böses Gesicht und war sogar aus seinem Taxi gestiegen, was kein Taxifahrer normalerweise tat, besonders dann nicht, wenn ein schwerer Koffer in den Kofferraum zu heben war. Er wedelte mit dem Bündel Scheine und sprach schnell in einer fremden Sprache auf Conall ein. Das einzige Wort, das Conall verstand, war Vietnam, Vietnam !
    Sein Denken brauchte in der dicken Luft zu lange. Hatte er ihm zu wenig gegeben? Er war sich sicher, dass er ein ordentliches Trinkgeld gegeben hatte.
    Der Livrierte trat auf ihn zu und erklärte: »Er sagt, Sie haben ihn in vietnamesischer Währung bezahlt.«
    Na und?
    »Wir sind nicht in Vietnam.«
    Nein? Wo dann?
    Conalls Verstand setzte aus. Er sah sich um, suchte nach Hinweisen. Hinter ihm erhoben sich die gläsernen, glitzernden Hoteltürme, jenseits des Boulevards mit dem hupenden, brausenden Verkehr drängten sich kleine braunhäutige Männer in Massen auf einem offenen Markt, weit dahinter, fast außer Sichtweise, erstreckte sich eine armselige Shanty-Town.
    Stimmt, ja, der Mann hatte Recht, er war nicht mehr in Vietnam. Vietnam war gestern gewesen. Heute waren sie woanders. In einem anderen heißen Land. Es würde ihm gleich wieder einfallen. Indonesien!

    »Kambodscha, Sir.«
    »Ach ja, richtig, Kambodscha!« Er zückte seine Brieftasche. Er müsste ein paar Scheine in kambodschanischer Währung haben. Er hatte viele Scheine, aus vielen verschiedenen Ländern, aber … »Wie sehen sie aus?«
    »Darf ich?« Höflich nahm der Hoteldiener Conalls Brieftasche. Conall bemerkte die Blicke der Verachtung, die Hoteldiener und Taxifahrer wechselten: ein reicher Mann mit zu viel Geld.
    »Es war ein langer Tag«, sagte Conall. Das stimmte auch. Er hatte in einem anderen Land, in einer anderen Zeitzone angefangen.
    Der Fahrer wurde bezahlt, und Conall bekam seine Brieftasche zurück. »Tut mir leid.«
    »Ich habe ihm ein Trinkgeld gegeben«, sagte der Hoteldiener.
    »Vielen Dank. Nehmen Sie sich selbst auch eins.«
    »Danke, Sir. Zur Anmeldung?«
    Sie hatten ihm eine riesige Suite mit einem großen Wohnzimmer, einem Ankleidezimmer und zwei Badezimmern gegeben. Dabei blieb er nur fünf Stunden. Um sechs Uhr morgens musste er wieder weg, weil er nach Manila flog. Die Inneneinrichtung war das Übliche für ein Luxushotel – Vliestapete, schwere Möbel und dicke Teppiche, in denen man versank. Vor den Fenstern mit den dichten, gerüschten Vorhängen herrschten zweiunddreißig Grad.
    Er wollte die Krawatte abnehmen, aber die war schon weg. Irgendwo, bei einer der Herausforderungen des Tages, hatte er sie abgelegt.
    Früher fing die Arbeit erst im Auto an, das ihn vom
Flughafen abholte, aber jetzt wurde er am Flugzeug abgeholt, und schon auf den Laufbändern auf dem Weg zur Passkontrolle begann das Briefing. Bevor er am Morgen aus dem Flughafengebäude von Phnom Penh trat, hatte er bereits massenhaft Informationen über die Infrastruktur vor Ort, die Rechtslage für Unternehmen und die Arbeitsplatzproblematik erfahren.
    Wie anderswo auch, war ihm ein großes Team von Anwälten, Steuerexperten, Übersetzern, Sekretären und Assistenten zur Verfügung gestellt worden. Das Team in Phnom Penh war sehr gut vorbereitet, und anfangs sah es aus, als könnte das eine glatte Abwicklung sein – doch dann wies Pheakdei Thong auf ein kommunales Gesetz hin: Großzügige Steuererleichterungen waren gewährt worden, und im Gegenzug sollte der kambodschanische Teil des Unternehmens zehn Jahre lang operativ bleiben. Seitdem waren erst vier Jahre vergangen. Wenn Conall das Unternehmen abwickelte, müsste die Geschäftsführung mit einem Strafverfahren rechnen.
    Mit heiklen kommunalen Fragen zurechtzukommen, war genau das, wofür Conall bezahlt wurde. Die Geschäftsführung ihrem Schicksal zu überlassen – das war mit Blick auf die Kosten die effektivste Lösung. Aber …
    Pheakdei Thong hatte höflich gewartet, während Conall in Gedanken komplizierte Varianten der verschiedenen Konstellationen durchspielte. Dabei verfolgte er eine Spur bis zu dem Punkt, an dem sie sich teilte und neue Alternativen entstanden, dann wieder neue und wieder neue, bis es sich um Einzelpersonen drehte, die irgendwo auf dem Erdball saßen und ihre Arbeitsstelle entweder behalten oder verlieren würden.

    Wenn ich die Lager in Hanoi erhalte, aber die Fabriken schließe, mit den Zulieferern in Laos ein Abkommen schließe, den Transportzweig

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