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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gutem Grund, dachte Lydia finster.
    Buddy räusperte sich. »Multi-Infarkt-Demenz ist das
Resultat einer Serie von Mini-Infarkten, die die Blutversorgung in Teilen des Gehirns beschädigen.«
    »Das hat Lydia gerade gesagt.«
    »Dann müssen Sie das heilen.« Das war Ronnie. Bloß weil seine Stimme leiser war, hieß das nicht, dass sie weniger bedrohlich klang.
    »Mit Sicherheit können wir dafür sorgen, dass es nicht mehr passiert. Wir beginnen umgehend mit blutverdünnenden Medikamenten, damit das Blut leichter fließt und die Infarkte aufhören.«
    »Und den Schaden beheben Sie auch, Doc?« Ronnie war beharrlich.
    »Ah, also, das ist so«, Buddy Scutt wand sich voller Unbehagen auf seinem Stuhl, »der angerichtete Schaden ist irreversibel.«
    »Irreversibel?« Ronnies Stimme wurde noch leiser. »Oh nein, das können wir natürlich nicht hinnehmen.«
    »Glauben Sie mir, Ronald, wenn ich Ihre Mutter heilen könnte, würde ich das tun.«
    »Unsere Schwester war vor fast einem Jahr bei Ihnen und hat Sie um einen Scan gebeten, und Sie haben sie weggeschickt. Ein ganzes Jahr, in dem Mum diese multiplen Dinger gehabt hat und ihr Gehirn immer weiter beschädigt wurde.«
    »Wir werden Sie verklagen!«, erklärte Murdy. »Wir verklagen Sie, bis auf den letzten Penny.«

    »Mit dem BMW da fangen wir an.« Auf dem Parkplatz stellte Murdy bereits eine Liste von Buddy Scutts Vermögen auf. »Und seine Frau ist tot, er kann ihr also nicht sein Eigentum überschreiben. Das machen nämlich Leute wie
er, und wenn daran ein Fall zugunsten von Klägern wie uns entschieden wird, kriegen die Kläger trotzdem nichts.«
    »Halt doch den Mund, du Blödmann«, sagte Lydia matt. »Wir werden ihn doch nicht verklagen.«
    »Er sollte seine Approbation verlieren.«
    »Wird er aber nicht. Die halten doch zusammen, Ärzte und die, die ihm die Approbation entziehen könnten. Leute wie wir können da nichts ausrichten.«
    »Aber vielleicht könnten wir ihn anders bestrafen«, sagte Ronnie, als würde er zu sich selbst sprechen.
    »Halt du den Mund. Denk bloß nicht an Rache.«
    Jetzt hatten sich die Brüder der Sache angenommen, aber es war geradezu abstoßend. Sie bildeten eine kleine Gang: Operation Verrückte Mutter. Nur Raymond in Stuttgart war außen vor und hielt sich raus.
    »Und was machen wir mit Mum?«
    »Ah …«
    »Was sagt Hathaway denn zu alldem?«, fragte Ronnie.
    »Er sollte mal herkommen und seine Meinung kundtun«, sagte Murdy. »Damit wir einen Plan machen können. Wann ist er aus Vietnam zurück?«
    »Er muss noch nach Kambodscha«, sagte Lydia knapp. Himmel! Hathaway? Was bedeutete er Mum? Oder den anderen? Aber diese beiden glaubten, er sei ihr Retter.
    »Kambodscha?« Murdy grinste anerkennend. »Cooler Typ.«
    »Warum machen wir nicht selbst einen Plan?«, schlug Lydia mit süßer Stimme vor. »Und wenn Hathaway zurück ist, legen wir ihm den fertigen Plan vor.«
    »Gute Idee.«

    Jetzt stand es fest, dachte Lydia auf dem Weg zurück nach Dublin, endlich war sie allein und konnte die Nachricht verdauen. Sie hatte gewusst, dass die Sache mit ihrer Mutter etwas Ernstes war, und längst die Hoffnung aufgegeben, sich das alles nur einzubilden, aber jetzt die Bestätigung zu bekommen …
    Sie hatte Recht gehabt. Alle anderen Unrecht, und das gab Lydia, auch wenn es ihre Mutter nicht wieder gesund machen würde, ein Gefühl der Genugtuung.
    Aber die Zeitverschwendung, die schreckliche, schändliche Zeitverschwendung. Ein ganzes Jahr, in dem ihre Mum von innen weiter zerstört worden war.
    Und sie selbst?, dachte sie plötzlich. Sie brach in lautes Schluchzen aus. Sie weinte wie ein kleines Mädchen, als würde ihr das Herz brechen. Sie presste eine Hand fest auf den Mund, um die Laute der eigenen Trauer zu ersticken. Tränen strömten über ihr Gesicht, alles vor ihr war verschwommen, aber sie fuhr trotzdem weiter. Was sollte sie auch sonst tun?
    NEUN TAGE …
    Aggressiv schob sich das Taxi über den breiten, zehnspurigen Boulevard, zwängte sich zwischen Lieferwagen, Autos, Fahrrädern und lärmenden Motorrädern hindurch und kam in der Haltebucht vor den glitzernden Glastüren eines Hotels zum Stehen. Ein uniformierter Hoteldiener eilte herbei, riss die Tür auf, und Conall trat in die feuchtheiße tropische Nacht hinaus. Er gab dem Fahrer
eine Handvoll zerdrückter Scheine und ging dankbar auf die kühle, unauffällig internationale Empfangshalle zu, als er hinter sich eine Tirade von Beschimpfungen hörte. Er drehte sich um.

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