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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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geschehen kann, und wenn sie noch so moralisch unanfechtbar waren oder eine noch so herausragende Stellung im Leben bekleideten – und sie sich am Gesäß kratzen wollte, musste sie sich erst vergewissern, dass nicht drei oder vier gelangweilte Menschen sie von draußen beobachteten. Das war das größte Problem in Pokey: Es gab nichts, aber auch gar nichts zu tun, und eine komische Protestantin in ihrem lächerlichen Glaswürfel zu beobachten, wurde auf Bewerbungsformularen von Arbeitgebern als Hobby ebenso akzeptiert wie Spielsucht oder Selbstmordgedanken.
    Als Giles das Zeitliche segnete, war sein Verlust für Jemima eine schmerzliche Erfahrung, aber sie vergeudete keine Zeit und brachte das Glashaus auf den Markt. Zu der geradezu ekstatischen Begeisterung des Immobilienmaklers erklärte sie sich bereit, die speziell für das Haus entworfenen Titanmöbel gleich mit zu verkaufen. Sie gab das mit Freuden her, dachte Jemima, denn sie war auf dem Weg nach Dublin, wo sie die Auktionshäuser abklappern und nach dunklen, schweren Möbeln suchen würde, Sachen mit Substanz.

    Von Pokey hatte sie genug. Es gab dort nicht sehr viele bedürftige Menschen, so dass sie ihre wohltätigen Neigungen nicht voll ausleben konnte. Außerdem, wenn sie ehrlich sein sollte, war sie den Blick auf grüne Wiesen ein für alle Mal leid. Ja, sie wollte ins quirlige Dublin, so nah ans Stadtzentrum heran wie möglich. Sie wollte den Puls des Lebens spüren. Angesicht der Immobilienpreise in Dublin vor fünf Jahren war es ein Segen, dass sie bescheiden war. Zwei Schlafzimmer, damit Fionn bei ihr übernachten konnte, wann immer er wollte, aber sonst war sie mit einer kleinen Wohnung vollauf zufrieden. Sie wollte die Zeit nicht mit Hausarbeit verbringen, kein Fensterputzen und – eine große Befreiung – kein Garten, der ständiger Pflege bedurfte!
    Der Umzug brachte auch schmerzliche Veränderungen mit sich. Das betraf Fionn. Sie würde ihn schrecklich vermissen und natürlich er sie. Aber andererseits, sie würde nicht ewig leben. Es war Zeit, dass er sich löste.
    NEUNUNDFÜNFZIG TAGE …
    Lydias Tag war voller Irkutsk-hafter Irritationen. Die Stadt quoll über von Sommertouristen, und ein Straßenmusiker – irgendein Verrückter mit einem Akkordeon – hatte in der Westmoreland Street eine so große Menge um sich versammelt, dass die Leute auf die Straße traten, wo sie tanzten , worauf Lydia ausweichen musste und beinah mit einer Radfahrerin kollidiert wäre, die sie hochrot vor Wut und im Bewusstsein ihrer
moralischen Überlegenheit und abgaslosen Fahrweise beschimpfte. Lydia konnte Straßenmusiker und ihre passiv-aggressive Art, mit der sie vorgaben, eine Dienstleistung anzubieten, nicht ausstehen. Selbst wenn sie nicht miserabel spielten, fühlte man sich verpflichtet, ihnen ein paar Münzen zu geben, weil sie sich bemüht hatten. Mit Menschen, die auf dem Bürgersteig saßen und einfach bettelten, kam sie klar, das war eine ehrliche Transaktion, man wusste genau, was man bekam – nämlich nichts.
    Außerdem konnte sie Fahrradfahrer nicht ausstehen – lauter Scheinheilige, die Krokodilstränen wegen der Umwelt vergossen, was ihnen das Recht gab, wie die Irrsinnigen zu fahren, so dass Taxifahrer, anständige Menschen wie sie selbst, für das Wohl und die Sicherheit der Radfahrer verantwortlich waren. Wenn sie, Lydia, jemals das Sagen hätte, würde sie Radfahrer ohne Umschweife erschießen.
    Dann packte sie ihren Frühstücksbagel aus und entdeckte, dass der Junge in dem Laden geraspelten Kohl auf ihren Frischkäse gelegt hatte, was sie nicht bestellt hatte. Selbst wenn sie Kohl nicht zutiefst verabscheut hätte – was aber jeder, der halbwegs bei Verstand war, tat –, woher hatte der Junge die hirnrissige Idee, dass Kohl und Frischkäse zusammenpassten?
    Von der Bagel-Abscheulichkeit überwältigt, suchte sie andere Abscheulichkeiten in ihrem Kopf zusammen, bis sie in einer Parkbucht halten und ihren Bruder Murdy anrufen musste, der fortwährend murmelte: »Ich weiß, was du meinst«, was ganz offensichtlich nicht der Fall war, denn sonst würde er doch etwas tun, oder?

    »Komm doch am Wochenende vorbei«, schlug er vor. »Wir besprechen das beim Abendbrot. Ich habe jetzt keine Zeit.«
    Tränen Murmansk-hafter Frustration trübten ihre Sicht, als sie sich wieder in den Verkehr einfädelte, und beinahe wäre sie erst mit einem Bus zusammengestoßen, dann hinten auf einen furchtsamen Fahrschüler gedonnert und hätte dann fast noch

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