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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Zeitschrift oder seiner grimmigen Innenschau zu.
    »Ach du liebe Zeit!« Maeve stand auf und lachte hilflos. »Mein schönes Wechselgeld für den Waschsalon.«
Als ginge eine magnetische Anziehung von ihr aus, hoben alle dreizehn Fahrgäste den Kopf, und plötzlich erkannte Matt, welche Macht sie hatte. Nicht prahlende, arrogante Macht, nicht die Macht, die elegante Bekleidung und teures Make-up verleihen – in ihren Jeans und Ugg-Boots und mit ihren ungebändigten Locken würde Maeve kaum einen Türsteher vor einem Nachtclub veranlassen, ihr den Weg freizumachen. Was Maeve diese Macht verlieh, war ihr Glaube an das Gute in den Menschen.
    Es kam ihr nicht in den Sinn, dass die fremden Menschen um sie herum nicht helfen würden – und ihr Vertrauen wurde belohnt. Gebannt sah Matt zu, wie sich fast alle Fahrgäste im Wagen bückten, als verbeugten sie sich vor einer ehrfurchtgebietenden Gottheit, und die Münzen, die sie entdeckten, auflasen. Auch Matt und die Kollegen halfen, ebenso wie der litauische Heilpraktiker, die syrischen Küchenhilfen, die philippinischen Krankenschwestern und die irischen Schuljungen. Sie alle suchten den Boden ab, manche bewegten sich in der Hocke vorwärts wie Kosaken in Zeitlupe. »Danke«, sagte Maeve immer wieder und nahm die gefundenen Münzen entgegen. »Danke, vielen Dank, wie freundlich von Ihnen, alles Gute, so freundlich, wirklich sehr hilfsbereit, Gott vergelte es Ihnen, danke.«
    Mit ihr möchte ich zusammen sein, dachte Matt unwillkürlich. Dann änderte er den Wunsch ab. Nein, dachte er, so wie sie möchte ich sein .
    Zwei Haltestellen weiter, als Matt und sein Team ausstiegen, rief Maeve in den Wagen hinein: »Vielen Dank noch mal, Sie haben mir sehr geholfen«, und in der Herzenswärme,
die sie hinterließ, hätte man Kartoffeln rösten können. Matt wusste, dass alle diese Menschen an dem Abend zu Hause die Geschichte erzählen würden. »Ein Zweieurostück ist mir auf den Fuß gefallen, und ich dachte, bitte, Miss, du hast es fallen lassen, du hebst es wieder auf, ich meine, ich war müde und erschöpft, aber sie war so freundlich, da habe ich natürlich mitgeholfen, das Geld aufzuheben, und weißt du, ich bin froh darüber, ich habe mich wie ein besserer Mensch gefühlt –«
    Mein Stöbern in den Erinnerungen von Matt und Maeve wird von plötzlichen Aktivitäten zwei Stockwerke über mir unterbrochen, und ich mache mich unverzüglich auf den Weg, um zu sehen, worum es geht.
    EINUNDSECHZIG TAGE …
    Andrej und Jan hatten ihre Lehrbücher sorgsam verstaut und traten auf den Flur, wo sie besorgt nach Lydia Ausschau hielten. Ich hatte immer noch Mühe, sie auseinanderzuhalten – sie lebten in einer solchen Angst vor Lydia, dass ihre Schwingungen dadurch ziemlich gestört waren. So viel war mir aufgefallen: Andrej hatte erstaunlich blaue Augen, die wie die eines religiösen Eiferers brannten, aber er war kein religiöser Eiferer. Jan hatte auch blaue Augen, aber seine brannten nicht wie die eines religiösen Eiferers. Er besaß jedoch … ja, er besaß ein Gebetbuch, in dem er häufig mit einem gewissen – ja, doch! – Eifer las.

    Es stimmt also, was man so sagt: Man kann sich nicht auf das Äußere verlassen.
    Die beiden versorgten sich mit Pringles und Bier und setzten sich ins Wohnzimmer, wo sie Entourage gucken wollten. Sie waren verrückt nach Entourage . Es war ihre Lieblingssendung, einer der Höhepunkte ihrer Woche. Sie wünschten sich nichts sehnlicher, als nach Amerika zu gehen und ein Entourage -Leben zu leben, mit Sonnenschein und Autos und, versteht sich, schönen Frauen, aber vor allem mit der unverbrüchlichen Solidarität zwischen Männern.
    Stumm und andächtig saßen sie vor dem Fernseher und hörten nicht, dass Lydia hereinkam. Sie merkten erst, dass sie da war, als sie den Zauber brach und sagte: »He, ihr zwei, warum so griesgrämig?«
    »Was heißt griesgrämig?«, fragte Jan angespannt und ärgerte sich im nächsten Moment, dass er gefragt hatte. Andrej ermahnte ihn die ganze Zeit: Verwickle dich nicht in ein Gespräch mit ihr.
    »Was griesgrämig bedeutet?« Lydia überlegte. »Griesgrämig bedeutet übellaunig, miesepetrig, verdrießlich, mürrisch, verstimmt.« Sie betrachtete die beiden mit gespielter Anteilnahme. »Heimweh, das hat Dr. Lydia diagnostiziert.« Mit heuchlerisch sanfter Stimme fragte sie: »Vermisst ihr Minsk, meine kleinen Hefeklöße?«
    Die beiden blieben stumm. In den letzten drei schrecklichen Wochen hatten sie sich an

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