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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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dieses Spiel gewöhnt, in dem Lydia sie mit Namen von Städten quälte, die mit -sk endeten.
    »Minnn ssskkk !« Lydia lauschte dem Klang. »Sssskkk ? Vermisst ihr es?«

    Als sie keine Antwort erhielt, tat sie überrascht: »Ihr vermisst es nicht? Ihr seid aber nicht sehr patriotisch.«
    Jan, der sich in jeder wachen Minute in Irland mit verzweifelter Leidenschaft zurück nach Polen sehnte, ertrug es nicht länger. »Irenfrau, wir sind nicht aus Minsk! Wir sind aus Gdansk! Wir sind aus Polen, nicht aus Weißrussland.«
    Kaum hatte Jan die Worte ausgesprochen, wollte er sich die Zunge abbeißen. Lydia hatte es geschafft, seinen Widerstand zu brechen! Er hatte ihr nicht getrotzt!
    Tief beschämt sah er Andrej an. Es tut mir leid, ich bin nicht so stark wie du.
    Ist schon gut, schien Andrej stumm zu erwidern. Mach dir keine Vorwürfe. Sie würde auch den stärksten Mann zerstören.
    (Aha, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten treten jetzt stärker konturiert hervor: Andrej ist älter, klüger, stärker. Jan ist der Jüngere, Süßere, Dümmere.)
    Lydia ging wieder, und nach langem Schweigen sagte Jan: »Ich bin griesgrämig.«
    Mehrere Sekunden vergingen, bevor Andrej sagte: »Ich bin auch griesgrämig.«
    EINUNDSECHZIG TAGE …
    Unten im Erdgeschoss wollten Matt und Maeve offenbar zu einer abendlichen Joggingrunde aufbrechen. In ihrem Schlafzimmer – ein Ikea-Wunderland, nur dass die Türen an den Nachttischen schief in den Angeln hingen,
weil die Montageanleitung auf Tschechisch war und Matt geschworen hatte, bevor er noch einmal zu Ikea führe, um die englische Anleitung zu holen, würde er lieber bei vollem Tempo in eine Mauer rasen – zogen sie sich aus, wobei Maeve sich abwandte, als sie den BH ablegte, und zogen sich sofort wieder an. Dem Anschein nach zogen sie mehr an, als sie vorher getragen hatten. Maeve steckte jetzt in einem grauen Sweatanzug, und Matt hatte Unterhose, Jogginghose und ein langärmliges Shirt an. Dann stiegen sie … sehr zu meiner Verwunderung … ins Bett! Warum so warm eingepackt? Es war doch ein milder Abend.
    Mir kam die Idee, dass sie ein antörnendes Ausziehspiel spielen wollten. Aber warum konnten sie das nicht mit den Sachen machen, die sie vorher anhatten?
    Ich war keineswegs glücklich bei der Vorstellung, Zeuge eines Sexspielchens zu werden, aber ich zwang mich zum Bleiben. Ich hatte keine andere Wahl! Ich musste möglichst viel über sie in Erfahrung bringen. Matt stopfte sich sein Kissen unter den Kopf und blätterte geräuschvoll in einer Autozeitschrift, begierig auf die jeweils nächste Seite, während Maeve Stolz und Vorurteil zur Hand nahm … und mehr geschah auch nicht. Ich verweilte noch etwas und bemerkte den stattlichen Stapel von Jane-Austen-Romanen auf Maeves Nachttisch – offensichtlich war sie ein Fan. Ich blieb noch eine Weile, bis mir klarwurde, dass es keine Striptease-Szene geben würde.
    Ich gebe zu, dass ich erleichtert war.

    Das einzige Problem, als Matt sich vor vier Jahren und drei Monaten in Maeve verliebte, war die Tatsache, dass er schon eine Freundin hatte …
    Ja, die entzückende Natalie. Sie war wirklich entzückend. Von all den schönen, klugen jungen Frauen bei Goliath – und es gab über zweihundert weibliche Angestellte, also reichlich Auswahl – war Natalie die schönste und klügste: Sie hatte glatte braune Haut, lange, schlanke Beine, einen trotzigen Ausdruck in den Augen und große Fähigkeiten in ihrem Beruf. (Sie war Belgierin und der lebende Beweis, dass es in ihrem für seine Langeweile berühmten Heimatland auch anderes gab.)
    Matt – der lächelnde, liebenswerte Matt, von dem alle überzeugt waren, dass er es weit bringen würde – war ein ebenbürtiger Partner für die entzückende Natalie.
    Matt und Nat leiteten jeweils ein Verkaufsteam und waren dadurch, obwohl sie ein Liebesverhältnis hatten, auch Konkurrenten. Sie traten gegeneinander an, und ein jeder frohlockte (mit größtem Wohlwollen, versteht sich), wenn er oder sie einen Verkauf für ein Goliath-Software-Paket abgeschlossen hatte. »Das verbuche ich für mich, mein Lieber.«
    Maeve kam als Trainee in die Firma, und es war nicht überraschend, dass Matt mit seiner attraktiven Freundin und seinem anspruchsvollen Job sie kaum bemerkte. Außerdem waren bei Goliath, einer Firma mit außergewöhnlicher Wachstumsrate, jeden Tag neue Gesichter zu sehen – am selben Tag wie Maeve fingen auch Tarik aus Pakistan und Yen-Way aus Taiwan an –, so dass sich immer wieder

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