Der Henker von Lemgo
breitbeinig neben dem Henker und starrte
ungerührt auf die Frau vor ihm am Pranger. Sie war noch jung, ihre Brüste
glänzten prall in der Mittagssonne.
Missmutig griff
David nach den zusammengebundenen Weidenruten. Es war nicht rechtens, was
Cothmann da von ihm verlangte. Entgegen allen Regeln hatte er ihm befohlen, die
Frau mit ihm zugewandten Gesicht festzubinden. Finster zog er die dichten
Brauen zusammen und schickte den Knecht weg, um dem Weib wenigstens die Schmach
eines weiteren männlichen Zuschauers zu ersparen. »Weshalb soll ich ihr nicht
wie üblich den Rücken mit Ruten stäupen?«, knurrte er.
Cothmann grinste
lüstern. »Die Dirne hat mit dem Teufel Unzucht getrieben und einen Bastard
gezeugt. Die Ruten soll sie dort spüren, wo sie die fleischliche Sünde
empfangen hat. Sorgt dafür, dass sie den Bastard verliert, Henker!«
David musste ihr das
Hemd vom Leibe reißen, sodass ihre Brüste und ein Teil des gewölbten Leibes
unbedeckt waren. Unschlüssig verharrte er und ließ den Blick unsicher über die
Köpfe der Menge und die anwesenden Ratsherren schweifen. Das Weib wurde auf dem
Marktplatz während eines ganz normalen Markttages gezüchtigt.
Als niemand
Cothmanns Befehl widersprach, holte David mit beiden Händen aus. Die schweren
Ruten zwischen seinen Fingern knisterten, als der erste Schlag auf ihrem Bauch
landete. Die gespannte Haut platzte, und die ersten roten Blutrinnsale liefen
an ihrem entblößten Körper hinab. Gellend schrie sie auf und wand sich in den
Seilen. Jeder ihrer Schmerzensschreie wurde von einem lauten »Buh!« der
Zuschauer begleitet.
»Fester, Meister
David!«, brüllte Cothmann. »Ist Euch etwa der Saft ausgegangen? Ihr habt das
Weib doch nur gestreichelt.« Gelangweilt entfernte er ein Staubkörnchen vom
Rock und wandte sich Krieger zu: »Ich glaube, unser Meister David wird alt,
oder die Weiber und der Suff saugen ihm das Mark aus den Knochen!«
David holte noch
weiter aus und ließ abermals die Rute durch die Luft singen. Die Bauchdecke der
Schwangeren riss, und ihr Leib bewegte sich auf seltsame Art. Die Frau
verdrehte vor Schmerz die Augäpfel, bis das Weiße zum Vorschein kam, und sackte
dann in den Stricken zusammen. Blut spritzte. Nachdenklich musterte David die
Rute, umfasste dann die Spitze und drückte zu. Erschrocken zog er die Hand
zurück. In seiner Handfläche staken kleine spitze Dornen. »Das sind nicht meine
Ruten!«, donnerte er.
Bürgermeister
Cothmann war gerade mit Barthold Krieger in ein Gespräch über Perücken vertieft
und tat, als würde er David nicht bemerken. Die Schmach trieb dem Henker das
Blut ins Gesicht, und er warf ihm die Rute vor die Füße. »Hoher Herr!«, brüllte
er. »Wenn einer besser hauen kann, dann soll er es tun. Ich jedenfalls schlage
keine ungeborenen Kinder – und schon gar nicht mit gespickten Ruten!«
Cothmann unterbrach
das Gespräch und starrte überrascht von David zu der Rute vor seinen Füßen.
Sein Blick wanderte zu Krieger, der sprachlos mit den Schultern zuckte, dann
wurde sein geschminktes Gesicht puterrot, und seine Augen verengten sich zu
Schlitzen. »Was soll das, Henker?«, zischte er. »Wollt Ihr uns den Gehorsam
verweigern?«
»Nichts liegt mir
ferner als das.« David verneigte sich. »Doch als wohlerfahrener Meister werde
ich niemanden zu Ungebühr verderben oder ihm Schaden tun, so wahr Gott mir beistehe.
Noch nie wurde mir etwas zugemutet, was sich nicht gebühret.«
»Ach …?« Cothmann
hatte sich wieder erholt und lächelte zynisch. Seine Augen loderten arglistig.
Endlich bot sich ihm die Gelegenheit, diesem arroganten Nachrichter seine
Grenzen aufzuzeigen. »Seid Ihr uns, dem Hohen Rat, etwa nicht zu Eifer,
Gehorsam und dazu verpflichtet, der Stadt und der Bürgerschaft jederzeit getreu
und aufwärtig zu sein?«
»Das will ich wohl
sein, hoher Herr. Aber in all meinen Dienstjahren wurde vom Rat noch nie eine
Schwangere gezüchtigt, und so soll es auch bleiben.« Er wusste, dass seine
Worte eine Kampfansage waren, und der Bürgermeister ging darauf ein.
»So …?« Cothmann
grinste breit. Er kam langsam auf ihn zu und winkte dabei heimlich den Knechten
hinter der Bühne.
»Ist es Euch
vielleicht lieber, dass wir Eure Tochter Ilsabein stäupen? Die Hure, mit der
Ihr Euch in Eurem Hause fein lustig gezeigt und in Eurer Witwerschaft ein
unchristlich säuisches Leben geführt habt? Wäre das vielleicht besser?«
David wurde erst rot,
dann blass. Seine Hände ballten sich zu Fäusten,
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