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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Verwirrt hob sie den Kopf und sah ihm in die dunklen Augen. Sie
lächelten sanft zurück, fast ein wenig spöttisch, dann senkte sie verlegen den
Blick.
    Der Friese war nun
nicht mehr aufzuhalten. Er scharrte heftig mit den Hufen, und David gab ihm die
riesigen Sporen. Erschrocken setzte das edle Tier zum Sprung nach vorn an,
sodass Maria heftig gegen Davids nackte Brust gedrückt wurde. Zuerst erschrak
sie, dann lehnte sie sich entspannt zurück. Mit dem Kopf an seiner Schulter
durchströmte sie ein überwältigendes Gefühl: das Gefühl der Geborgenheit.
Während der Wind ihr Haar umspielte und es mit der schwarzen Mähne des
Scharfrichters vereinte, galoppierte der Friese mit gleichmäßigen Sprüngen
durch das Stadttor. Doch je näher sie dem Marktplatz kamen, umso mehr wuchs die
Sorge um die Schwester. »Meine Schwester Margaretha sollte auf dem Marktplatz
auf mich warten. Darf sie auch auf Eurem Pferd reiten?«, fragte Maria zaghaft.
    »Natürlich. Auf dem
breiten Rücken meines Friesen ist jederzeit Platz für eine weitere schöne
Jungfer. Aber hast du einmal daran gedacht, dass deine Schwester vielleicht
schon nicht mehr auf dich wartet oder ihr gar etwas passiert sein könnte? Dann
hättest du eine große Sünde auf dich geladen.«
    »Ich habe fleißig
zum Herrn gebetet, auf dass er mich erhört.« Sie kuschelte sich enger an seine
Brust, um die auf sie einströmenden Gefühle zu genießen.
    Lächelnd strich er
ihr über das rotgoldene Haar. Sie schien so zerbrechlich. »Dann wird dir der
Herr auch beistehen, und wir finden deine Schwester.«
    »Du bist gar nicht
so böse, wie Mutter immer sagt«, stellte Maria fest. Sie war mutiger geworden,
beugte sich nach vorn und griff ihm in die Zügel. »Darf ich ihn halten?« Sie
kokettierte mit ihm wie ein erwachsenes Weib und zwinkerte ihm zu.
    David lachte
schallend. »Wieso auch soll ich böse sein? Warum sagt deine Mutter nur so etwas
über mich?«
    Sie spreizte die
Finger, und er schob ihr den vom Pferdeschweiß hart gewordenen Zügel
dazwischen. »Nun, sie schimpft immer, wenn wir nicht folgsam sind: ›Hol euch
der Henker!‹«
    Der Friese bäumte
sich erschrocken auf. Ängstlich umschlang sie die männlichen Hände, die ihr
hart in die Zügel griffen. Ihre Worte hatten David mitten ins Herz getroffen.
Sichtlich beleidigt grunzte er: »Beim Henker, wieso halte ich dich dann jetzt
in meinen Armen? Viel eher sollte ich dir das Hinterteil versohlen. Immerhin
warst du heute sehr ungehorsam.«
    Schlagartig lösten
sich die angenehmen Gefühle für ihn in Luft auf. Verhalten und ängstlich sah
Maria zu ihm auf. Die Zweifel kehrten zurück. Gleichfalls aber bemerkte sie
hinter der gespielt ernsten Miene ein verschmitztes Leuchten in seinen Augen.
Schelmisch lächelte sie zurück.
    »Ich habe heute mit
angesehen, wie Ihr meinen Schulmeister getötet habt. Zugleich aber höre ich ein
Herz in Eurer Brust schlagen, das nicht anders klingt als das meines Vaters.
Wenn auch Blut an Euren Händen klebt, so glaube ich trotzdem, dass Ihr ein Mann
von Ehre seid und mich unbeschadet zu meinem Vater bringt.«
    Ihr Vertrauen rührte
ihn und stimmte ihn gnädig. Bezaubert von ihrer kindlichen Naivität, klatschte
er sich schallend auf den Oberschenkel. »Jungfer, du hast das Herz auf dem
rechten Fleck! Sei froh, dass du noch ein Kind bist, dein Liebreiz könnte einen
Mann glatt um die Besinnung bringen.«
    Der Friese reagierte
übermütig mit einem Bocksprung nach vorn. David klopfte ihm beruhigend auf den
Hals und schnalzte aufmunternd mit der Zunge. »Die Hände fest schließen,
Jungfer, und aufrecht stellen! Und nun gib ihm die Schenkel!«
    Begleitet von
einer Meute streunender Hunde auf der Suche nach Abfällen, überquerten sie den
Marktplatz. Marias Oberkörper hüpfte im Takt auf und nieder, während ihre Augen
angestrengt Ausschau nach Margaretha hielten. David zügelte den Friesen, um
einem Bauern Platz zu machen, der mit einer mageren Kuh und ihrem Kalb in die
Gasse einbog. Prüfend glitt sein Blick über den ausgestorbenen Platz und blieb
an den Stadtknechten vor dem Rathaus hängen, die eifrig damit beschäftigt
waren, die Reste der Tribüne abzutragen. Das Kantholz lag bereits übereinandergestapelt
in der Mitte des Platzes und wurde von den Knechten auf Ochsenkarren und
Pferdewagen zum Abtransport verladen. Vor einem Bretter transportierenden
Einspänner entdeckte der Henker Margaretha. Das Mädchen stand mit dem Rücken zu
ihnen und schaute interessiert einem

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