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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Bürgermeister
Kerckmann. Lächerlich, dass gerade er Luzifers Kostüm gewählt hat.«
    »Ich glaube, er
leidet an der Zitterkrankheit, Hochwür… Seht doch, er kann sich kaum noch
aufrecht halten.«
    »Er ist alt. Lange
wird er nicht mehr unter den Lebenden weilen«, flüsterte Andreas. Maria war
überrascht. Solche Worte war sie von Hochwürden nicht gewohnt.
    Ein roter Kavalier
mit einer blonden Kurtisane im Arm, die ein tiefes Dekolleté präsentierte,
gesellte sich zu Kerckmann und Berner.
    »Das kann nur
Hermann Cothmann sein. Die Frau an seiner Seite ist die Tochter de Baers. Und
dort, der dicke, dunkelhäutige König neben dem Seeräuber vor den Damastvorhängen,
das ist ihr Vater, der Vogt de Baer.«
    Maria bestaunte die
Einrichtung des Ballsaales. »Was für prächtige Damast- und Seidenstoffe.
Sitzmöbel in Ohrmuschelform und alles reich bestickt und gepolstert. Die
Schränke so fein poliert und die Stühle mit geschweiften Füßen! In Vaters Haus
ist alles einfacher, wuchtiger und viel schwerer. Der einzige Luxus ist der
gedrechselte zweitürige Kleiderschrank. Warum leben wir Rampendahls nur so
genügsam?«
    »Darüber macht Euch
keine Gedanken, meine Tochter. Euer Vater weiß, was richtig und Eurem Stand
angemessen ist. Er hat es nicht nötig, mit Äußerlichkeiten zu bestechen. In
welchem Kostüm steckt er denn, Euer Vater, Jungfer?«
    »Er ist der
Seeräuber neben dem Vogt.«
    Stolz deutete sie
auf den groß gewachsenen Korsaren mit dem gestutzten roten Haar und der
schwarzen Augenbinde. Im gleichen Moment zog ein Neuankömmling alle Augen auf
sich. Am Eingang, in der kunstvoll gedrechselten Paneelwerktür, war ein
kräftiger Wikinger aufgetaucht. Die Tierfelle über der breiten offenen Brust
und der Helm aus Kuhhörnern verliehen dem Mann etwas Wildes und Ungebändigtes.
Manches Weib starrte ihm sehnsüchtig hinterher, als er zielstrebig auf die
Gruppe um den Bürgermeister zusteuerte.
    »Der Henker und sein
Meister«, knirschte Andreas. »Wie sollte es auch anders sein.«
    »Meister David?«,
entfuhr es Maria erstaunt, und ihr Herz begann augenblicklich wild zu klopfen.
    Als Andreas das
Leuchten in ihren Augen sah, zog er sie rasch hinter einen der schweren
Fenstervorhänge. »Vergesst ihn«, zischte er und musterte sie mit einem
seltsamen Ausdruck. Er gebot ihr, sich still zu verhalten, und deutete auf die
Sitzgruppe. »Von hier aus können wir hören, was zwischen den Herren gesprochen
wird. Vielleicht erfahren wir ja etwas Wichtiges.«
    »Aber Hochwürden,
Gott wird Euch für diese Sünde strafen!«
    »Pssst. Und manchmal
erlaubt Gott solch kleine Verfehlungen, wenn sie dem Guten dienen.«
    Die Glöckchen an
Berners Hut klingelten bei der kleinsten Bewegung. Maria kicherte leise, als
sich das Gesicht mit der Schicht aus Puder und Schminke mitsamt dem wuchtigen
Mühlsteinkragen steif über die Hand von de Baers Tochter beugte und laut einen
Kuss daraufschmatzte. Mit der Rechten hielt sich der Richter dabei seine rote
Seidenmaske vor die Augen.
    »Die neuerlichen
Besagungen der Hexe werden eine Welle von Prozessen nach sich ziehen, Amtmann
Berner«, hörte sie den Bürgermeister ächzen. Trotz seines aufwendigen Kostüms –
oder grad deshalb – wirkte er eingefallen, und jeder sah, dass er dem Tode näher
war als dem Leben.
    »Jemand muss die
Last der kommenden Prozesse tragen«, keuchte er und schaute dabei Cothmann an,
den Mann, auf den er all seine heimlichen Hoffnungen setzte. »Der Tod meines
Amtskollegen Müller macht meine Nachfolge noch dringlicher. Auch ich spüre ihn
schon in meinen Gebeinen, deshalb wird es erforderlich, bei der übernächsten
Ratswandlung einen Bürgermeister neu zu besetzen. Notiere Er das, Berner«,
krächzte er und richtete sich auf, während ein Diener ihm ein Kissen in den
Rücken stopfte. »In der Zeit, die mir noch bleibt, werde ich meinem Nachfolger
den Weg ebnen.« Er winkte den Landmann, der gerade seiner jungen Frau den Hof
machte, näher zu sich heran. »Werden doch allhier Kräfte zu stark, die es gilt,
vor meinem Ableben in die Knie zu zwingen.«
    Cothmann ahnte, auf
wen der Bürgermeister anspielte, und wurde hellhörig. »Meint Ihr die Söhne
Eures ehrenwerten Amtskollegen Kleinsorge?«
    »Ja, die Ratsmänner
Diedrich und Heinrich Kleinsorge bereiten uns großen Kummer. Jung und ungestüm,
wie sie sind, können sie es nicht erwarten, mich in Gottes Reich eingehen zu
sehen, um das Amt des Bürgermeisters an sich zu reißen. Sie sind
Weltverbesserer,

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