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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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werden. Louis XVI, Marie Antoinette und ihre Kinder wurden infolge dieser Ereignisse in den Temple gebracht, während die Nationalversammlung noch radikalere Positionen einnahm, um den Zorn der Sansculotten zu besänftigen. Die Abgeordneten waren schockiert, aber machtlos.
    Im August wurde auch ein neues Straftribunal ohne Berufungsmöglichkeiten eingerichtet, das beim kleinsten Verdacht auf »Verschwörung« sofort die Todesstrafe aussprechen konnte. Die Leute bekamen es mit der Angst zu tun und verkrochen sich in ihren Häusern.
    »Es ist nicht mehr in Ordnung, was jetzt geschieht«, sagte Charles zu Henri, als sie nach getaner Arbeit Stricke schmierten. Es war ein liebgewordenes Ritual, das ihnen half, die Hinrichtungen des Tages zu vergessen, obwohl sie dank der Guillotine gar keine Stricke mehr benötigten. Viel Blut floss zwischen den Holzbohlen des Schafotts auf das Pflaster hinunter und verströmte einen üblen Geruch, der nur noch Hunde anlocken konnte. Die Menschen protestierten nicht gegen die Schlächterei, sondern gegen den Gestank. Charles und seine Gehilfen installierten die Guillotine deshalb auf der Place du Carrousel vor dem grossen Tor der Tuilerien.
    Robespierre rief zur Volksjustiz an den Feinden der Revolution auf. Er versuchte damit, die entfesselte Masse wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch stattdessen stürmten Bewaffnete und Nationalgardisten die Gefängnisse und massakrierten über tausend Kleinkriminelle. Die edlen Ziele der Revolution waren ins Groteske gekippt.
    Trotz der Massenmorde nahm Charles’ Arbeit von Woche zu Woche zu. Jeden Morgen sprach er in der Conciergerie bei Fouquier vor, um die am Abend zu vollstreckenden Urteile abzuholen. Zwischen Prozess, Verurteilung und Hinrichtung lagen manchmal nur noch wenige Stunden. Die Revolutionäre vertraten den Standpunkt, dass es besser war, zehn Unschuldige zu töten, als einen Schuldigen zu übersehen.
    »Preussische Truppen haben die Grenze überschritten«, schrie Chefankläger Fouquier, als Charles sein Büro betrat. »Wer jetzt keinen Patriotismus beweist, den überlassen wir der Volksjustiz. In dieser Stunde stürmen Tausende erboster Bürger die Gefängnisse und nehmen dir die Arbeit ab. Sie metzeln alle nieder.«
    »Wo bleiben da die edlen Ziele der Menschenrechte?«, fragte Charles sarkastisch.
    »Vorsicht! Vorsicht, Bürger Sanson! Ich sagte dir schon mal, jede Revolution wird im Blut geboren. Der Nationalkonvent hat den König abgesetzt und in den Temple gebracht. Hättest du für möglich gehalten, dass du eines Tages den König guillotinierst?«
    »Noch lebt er«, sagte Charles, »es gibt kein Urteil.«
    »Der Nationalkonvent hat keine Macht mehr. Jetzt regiert die Strasse, die aufständische Kommune.« Fouquierreichte ihm die aktuelle Liste der zum Tode Verurteilten. Charles überflog sie: Assignatenfälscher, ein Journalist, ein Schuhmacher. Plötzlich sprang ihm ein Name ins Auge: Pater Gerbillon. Ausserdem fiel ihm ein stadtbekannter Handwerker von bestem Leumund auf, der lediglich seine Meinung geäussert hatte. »Noch Fragen, Monsieur de Paris?«
    Charles schüttelte den Kopf.
    Fouquier rückte seinen Stuhl zurecht und nahm eine distanzierte Haltung ein. »Ich hörte, dass der Clown Jacot ab und zu deinen Umzug begleitet und die Menge mit seinen Kapriolen erheitert. Du sollst ihn mit der Peitsche vertrieben haben.«
    »Das ist richtig«, antwortete Charles, »eine Exekution soll nicht in ein Volksfest ausarten. Ich pflege die Urteile mit Würde zu vollstrecken.«
    »Wer schreibt das vor?«, fragte Fouquier und schaute Charles verächtlich an. »Wer bist du? Vertrittst du etwa die Revolutionsregierung? Eine Exekution ist ein Volksfest der Revolution. Nimm den Kerl auf deine Lohnliste. Das ist ein Befehl. Wir müssen das Volk bei Laune halten, wer weiss, was wir ihm in den nächsten Monaten noch alles zumuten müssen. Und vollstrecke erst nach Einbruch der Dämmerung. Statte das Schafott mit Fackeln aus. Wir wollen sehen, ob das Volk das mehr schätzt.«
    Charles nickte zögerlich.
    »Du hast noch etwas auf dem Herzen, ich sehe es dir an.«
    »Ich möchte endlich mein Amt an meinen Sohn Henri übergeben.«
    »Schweig! Ich will kein Wort davon hören! Das ist wohl der dümmste Augenblick, um diese Bitte vorzutragen. Du wirst den König guillotinieren, denn du bist der Henker der Revolution. Henri ist bloss ein Geselle. Du aber bist der Arm der Guillotine. Manch einer kommt zu den Hinrichtungen, nur um dich zu

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