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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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und er die abgetrennten Köpfe unter sich sah. »Der Schmerz ist nur ganz kurz, oder?«, fragte er noch. Dann fiel sein Kopf in den Weidenkorb.
    Es folgten mehrere Wäscherinnen, Hilfsknechte und sogar ein Stalljunge, allesamt bitterarme Menschen, die sich nie für Politik interessiert hatten. Ihr einziges Verbrechen bestand darin, einem Royalisten gedient zu haben. Vielleicht war die Hinrichtung von Menschen, die ganz offensichtlich unschuldig waren, Bestandteil der Abschreckung, Bestandteil des Terrors. Zuletzt waren zwei Adlige an der Reihe, die versucht hatten, ihr Vermögen ins Ausland zu transferieren. Es ging sehr schnell. Die Gehilfen arbeitetenroutiniert. Als der letzte Kopf in den blutgetränkten Weidenkorb geklatscht war, luden Barre und Firmin die kopflosen Leichen auf den Wagen. Henri warf die losen Köpfe hinterher. Jede Leiche erhielt ihren abgeschlagenen Kopf zwischen die Beine.
    Schweigend fuhren Charles und seine Männer zum Friedhof. Es machte Charles etwas aus, dass er Gorsas hatte hinrichten müssen. Er dachte an ihr erstes Zusammentreffen anlässlich der Hinrichtung von Damiens. Damals hatte ihn der kleine Journalist genervt, aber am Ende hatte er ihn doch gemocht. Und jetzt vermisste er ihn.
    Auf dem Friedhof entkleideten sie die Leichen und warfen sie in das Massengrab. Desmorets überschüttete sie anschliessend mit Kalk. Die Kleider warfen sie wie immer auf einen Haufen in den Wagen. Nur die Hosen wurden bereits auf dem Friedhof aussortiert, denn die meisten waren mit Fäkalien beschmutzt. Wenn der Kopf abgetrennt wurde, verlor jeder Muskel die Kontrolle. Nur einzelne Nerven zuckten noch wild und täuschten ein bisschen Leben vor. Dann war auch das vorbei.
    Zu Hause trugen sie die Kleider in die Scheune. »Geht in die Küche, und macht euch was zu essen«, sagte Charles, »das hier erledigen wir morgen.« Henri und die Gehilfen waren nicht unglücklich darüber. Irgendwie hatten sie langsam genug von all diesem Blut.
    Charles blieb allein in der Scheune zurück und griff nach der Piquéweste. Er fand tatsächlich etwas in der rechten Innentasche. Es war ein Dokument, mehrere Seiten lang. Er steckte es in sein Wams und zog sich in seine Pharmacie zurück. Dort nahm er es wieder hervor und dachte langenach. Schliesslich entschied er sich, es nicht zu lesen. Wenn dieses Dokument Gorsas das Leben gekostet hatte, wollte er es nicht lesen. Er wollte nicht wissen, was darin stand. Was hatte er damit zu schaffen? Er war bloss ein Henker, der Urteile vollstreckte. Er wollte Ruhe haben, seinen Frieden finden. Aber so einfach war das nicht. Die Toten suchten ihn in der Nacht auf. Er hörte sie sprechen, ihre letzten Worte, er sah ihre hilflosen Augen, die ihn anflehten. Und dann hörte er das Heruntersausen des Fallbeils, und er war hellwach.
    Am 3. November starb die mutige Frauenrechtlerin Olympe de Gouges, fünfundvierzigjährig, unter dem Fallbeil. »Wir dürfen nicht öffentlich reden«, sagte sie mit gefasster Stimme zu Charles, als sie das Schafott erreichte, »wir dürfen nur öffentlich sterben. Dabei haben wir bloss die gleichen Rechte wie die Männer gewollt.«
    Auch Gräfin du Barry wollte Charles noch etwas sagen. Sie wollte am 8. Dezember nicht so leise aus dem Leben treten. Die Hinrichtung war mehrmals verschoben worden, weil die Gassen und Brücken in Paris spiegelglatt waren. Es war wieder Winter. Und die kalte Jahreszeit rief die Erinnerung an Gabriel wach. Die Gräfin wartete in der Conciergerie auf den Tod. Sie war nicht wie die anderen. Sie schwieg nicht. Sie brüllte aus voller Kehle, stürzte sich auf jeden Gehilfen, und als Barre ihr die Haare schneiden wollte, rammte sie dem armen Kerl das Knie in den Unterleib und versuchte, ihm die Augen auszukratzen. Erst als Charles die Conciergerie betrat, verstummte sie. »Charles«, stiess sie ausser Atem hervor, »rette mich, ich habe ein kleinesSchloss in der Nähe von Versailles, Juwelen von Louis XV, ich war seine Mätresse.«
    »Madame, ich bin hier, um Sie für Ihre letzte Reise abzuholen«, sagte Charles und zeigte seine Hände. Er hatte ein Seil in der linken Hand.
    »Madame?«, schrie sie. »Aber Charles, ich bin es, Marie-Jeanne Bécu.«
    Charles stutzte.
    »Charles!«, flehte sie ihn an.
    »Jetzt erinnere ich mich, Madame, es ist lange her. Sie erzählten mir damals, dass Sie bald den Namen du Barry annehmen würden.«
    Die Gräfin strahlte übers ganze Gesicht und fiel vor ihm auf die Knie. »Rette mich, Charles, ich bin

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