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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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werden, sondern Koch.«
    Nein, Charles wollte immer noch Arzt werden. Seiner Mutter zuliebe. Das Gefühl der Ohnmacht an ihrem Sterbebett war immer noch lebendig in ihm, und irgendwie bildete er sich ein, nachträglich etwas Gutes zu tun, wenn er Arzt würde. Dass seine Mutter längst tot war, war ihm bewusst, und auch dass er nichts rückgängig machen konnte. Es war eine völlig unlogische Verknüpfung, die sich in seinem Denken festgesetzt hatte. Aber Charles handelte nicht immerrational. Er war getrieben. Er wurde von Gerüchen heimgesucht, die ihn an seine Mutter erinnerten. Es war zum Beispiel der Geruch, den er geliebt hatte, wenn sie ihn zärtlich an ihre weiche Brust drückte. Es war kein besonderer Duft, aber es war der Duft seiner Mutter.
    Das Studium ging Charles nicht schnell genug voran. Sein Arbeitseifer liess nie nach. Er hatte stets Angst, dass irgendetwas dazwischenkäme, dass das Schicksal zuschlagen und alles beenden könnte. Kaum freute er sich über etwas, ergriff ihn diese Angst. Die Angst, etwas Geliebtes zu verlieren. Mit der Zeit ergriff ihn auch die Angst vor der Angst, und er begann guten Nachrichten so sehr zu misstrauen, dass er sich kaum noch darüber freute.
    Einmal im Monat musste er mit Antoine Quentin Fouquier de Tinville die Krankenhäuser aufsuchen und nach Leichen fragen. Sie waren billig zu haben und wurden auf einem Schubkarren in die Klosterschule gefahren. Diese Aufgabe oblag stets Charles und Antoine.
    »Du hast recht, Charles«, sagte Antoine, als sie den Karren über das holprige Pflaster schoben, »das Medizinstudium ist wahrscheinlich nicht das Richtige für mich. Aber erklär das mal meiner Mutter! Sie hat allen erzählt, dass ich Arzt werde, also bleibt mir nichts anderes übrig, ich will sie ja nicht blamieren. Dabei weiss sie ganz genau, dass ich in praktischen Dingen so ungeschickt bin, dass ich für meine Patienten eine Gefahr wäre. Als Gott mich schuf, hat er sich auf mein Gehirn konzentriert und mir aus Versehen zwei linke Hände gegeben. Ich mache ihm deswegen keinen Vorwurf. Das Gehirn ist den Händen überlegen. Selbst in einem Rollstuhl kannst du noch eine Armee kommandieren.Da wären wir beim anderen Problem. Ich ertrage es nicht, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe. Ich könnte nie Soldat sein. General wäre das mindeste.«
    »Aber du hörst auf deine Mutter«, sagte Charles in seiner gewohnt emotionslosen Art.
    »Wir hören doch alle auf unsere Mütter, und ich ganz besonders. Denn wenn mein alter Herr zu seinem Schöpfer zurückkehrt, erbe ich seine irdischen Güter. Und dann zahlt sich meine Herkunft eben doch noch aus. Weisst du, Charles, du bist zwar ein hervorragender Schüler, aber wahrscheinlich kommst du aus sehr einfachen Verhältnissen.« Er grinste hämisch. »Dein Vater war vielleicht der Erste seiner Sippe … ach, was red ich da, ihr habt bestimmt nicht mal einen Stammbaum … also, er war der Erste, der einen mittelmässigen Beruf erlernte: Arzt. Aber in Paris, da zählen einzig Herkunft und Vermögen. Womit willst du dir später ein Amt kaufen? Schon tragisch, nicht, der beste Schüler von Rouen endet in der Gosse, und ich, ein verwöhnter, fauler Adelsspross …«
    Charles hielt den Schubkarren an. Der Arm einer Leiche war unter der Decke hervorgerutscht und baumelte jetzt über die Ladefläche. Antoine packte den Arm und schob ihn wieder unter die Decke. Sie gingen weiter.
    »Selbst die Leichen wollen sich vor mir aus dem Staub machen«, sinnierte er nun mit ernstem Gesicht. »Ich hoffe, meine Äusserungen haben dich nicht allzu deprimiert, Charles. Die Wahrheit ist manchmal bitter. Du bist der bessere Schüler, aber ich werde später das bessere Leben haben.«
    »Wenn ich Arzt werde«, sagte Charles, »werde ich mit meinem Leben zufrieden sein. Ich brauche kein besseres Leben.«
    »Oh, jetzt erstaunst du mich aber, Charles. Man sehnt sich immer nach etwas Besserem. Das unterscheidet uns vom Tier. Wir sind nie satt. Wir sind immer hungrig. Und wenn du einmal genug Geld hast, sehnst du dich nach Ruhm und Anerkennung. Nach Macht. Die Welt soll dir Denkmäler errichten und Plätze nach dir benennen.«
    »Ich möchte nicht, dass man mir ein Denkmal errichtet«, murmelte Charles, »wozu auch?«
    »Keine Angst, das wird nicht geschehen. Aber eins kann ich dir versprechen: Wenn du eines Tages an meine Tür klopfst, krank und verarmt, dann kriegst du von meinen Dienern eine warme Suppe. Geld werde ich dir keins geben, denn ich werde dir

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