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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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schmunzelte. »Du hast mich durchschaut, grosser Mann, meine Waffe ist die Sprache, mein Gehirn, mein Gedächtnis. Ich geniesse es, Menschen zur Schnecke zu machen. Am liebsten öffentlich, vor grosser Kulisse. Ich bin geltungssüchtig, ich will ein Grosser werden, ich geb’s zu. Und ich stehe dazu. Und? Ist das etwa peinlich? Wen kümmert das schon?«
    »Hast du denn nie das Bedürfnis nach Frieden, nach Ruhe …?«
    »Sag jetzt bloss nicht Harmonie. Welch grässliches Wort. Ich liebe den Streit, den Konflikt, die Auseinandersetzung. Die Hitze des Gefechts erweckt mich zu neuem Leben. Das spornt mich an. Sogar mehr als eine nackte Frau. Jedes Wortspiel ist mir lieber als ein guter Freund. Aber sag mal, kann man sich im Bordell tatsächlich so kleine Sauereien holen? Ich meine Pilze und solches Gemüse auf der Eichel?«
    »Diese Geschwüre treten drei bis vier Wochen nach dem Bordellbesuch auf. Sie sind schmerzlos.«
    »Dann bin ich ja beruhigt«, sagte Antoine und atmete hörbar aus. »Ich werde später wirklich einen privaten Hausarzt brauchen, Charles.«
    »Dann schwellen die Lymphknoten an …«
    »Oh, das war erst der Anfang? Wo zum Teufel sind denn schon wieder die Lymphknoten?«
    »Dann gibt es Rötungen, und eine farblose Flüssigkeit wird ausgeschieden.«
    »Aber nicht etwa durch meinen Schwanz? Hör auf, das wird ja richtig eklig.«
    »Es folgen Symptome wie bei einer schweren Grippe. DieHaare fallen dir aus. Der Körper wird von schweren Entzündungen ruiniert. Wenn das Gehirn betroffen ist, verkümmern die Sprache und die Denkfähigkeit. Du fällst auf den Stand eines Vierjährigen zurück. Du kannst Blase und Darm nicht mehr kontrollieren. Die Sehnerven sterben ab, und dein Körper wird gelähmt.«
    »Sag jetzt bloss noch, dass ich dann keinen mehr hochkriege.«
    »Bei deinem Humor ist alles möglich.«
    »Schon gut«, winkte Antoine ab, »dann werde ich wohl Anwalt, Charles, und du wirst ein kleiner Landarzt. Vielleicht reicht es nicht ganz zum Landarzt, dann wirst du halt Veterinär und wühlst in den Ärschen von abgemagerten Kühen und stinkst den ganzen Tag nach Scheisse.« Er gab Charles einen Klaps auf die Schulter und lachte amüsiert. Es war kein besonders freundlicher Klaps. Etwas hart und aggressiv. Und seine Augen funkelten dabei gefährlich. Charles ahnte, dass in dieser Brust noch eine andere, dunkle Seele wohnte.
    Aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen durfte Charles mit Pater Collin nach Le Havre fahren, um neue Kräuter einzukaufen. Der Pater erzählte ihm unterwegs, wie einst die Wikinger Rouen überfielen, wie die Normandie an England fiel, und er zeigte ihm, als sie über den Marktplatz zum Westtor fuhren, die Stelle, an der Jeanne d’Arc im Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannte.
    Im Hafen von Le Havre ankerten Handelsschiffe mit grossen Segelflächen. Damit die Schiffe nicht kippten, brauchten sie einen dicken Rumpf. Es war kaum zu glauben,was alles aus diesen Schiffsbäuchen herauskam: Menschen, wilde Tiere in Käfigen, exotische Hölzer, farbige Stoffe, Porzellan, kostbare Seide, Statuen, Fässer und Holzkisten, aus denen halbverwelkte Pflanzen hingen. Besonders begehrt waren Tee, Kaffee, Gewürze und pflanzliche Arzneistoffe. Diese Handelsschiffe gehörten meist der Französischen Ostindienkompanie. Die Kompanie hatte die rechtliche Form einer Aktiengesellschaft. Jeder konnte Aktien kaufen, Aktionär werden und am Gewinn der Gesellschaft partizipieren. Die Französische Ostindienkompanie war ein sehr bedeutendes Unternehmen. Sie hatte vom König die Rechte für den Seehandel mit Afrika, Arabien, Madagaskar, Südostasien, China und mit der Neuen Welt. Die französische Krone hatte die Handelsgesellschaft mit enormen Privilegien ausgestattet. So hatte sie nicht nur das Monopol auf alle eroberten Gebiete ausserhalb Frankreichs, sondern auch das Recht, eigene Kriegsschiffe und eigene Truppen auszurüsten. Sie hatte ihre eigene Gerichtsbarkeit und schlug ihre eigenen Münzen.
    Charles konnte sich kaum sattsehen. Hinter den Handelsschiffen ankerten die begleitenden Kriegsschiffe der Kompanie, die mit Kanonen ausgestattet waren. Denn die Händler hatten sich nicht nur gegen fremdländische Völker zu behaupten, sondern auch gegen die konkurrierenden Holländer und Engländer, die ab und zu auf hoher See, fernab der Zivilisation, die Piratenflagge hissten und im Auftrag ihrer Könige raubten und plünderten.
    Charles und Pater Collin flanierten den Quai entlang. Ein Schiff

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