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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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niemand hat das Recht, einen rechtschaffenen Menschen wie dich zu töten.« Ein Berittener drängte den Hünen, der in Versailles als Grobschmied arbeitete und den alten Säufer Louchart gekannt hatte, beiseite. Dieses Geplänkel dauertean, bis der Karren die Place Saint-Louis erreicht hatte, wo die Veranstaltung bedrohliche Formen anzunehmen begann. Die Menge umringte das Schafott und riss Bretter der Umzäunung nieder. Charles nahm Louchart gemeinsam mit Henri und seinen Gehilfen in die Mitte und hetzte die Treppe zum Schafott hoch. Doch oben erwartete sie bereits der Hüne, der mit einer Streitaxt das Rad in Stücke hieb. Charles nahm seinen Sohn zu sich, obwohl dieser noch grösser und kräftiger gebaut war als er und keine Furcht zeigte. Die Menschen applaudierten dem Hünen und begannen das Schafott zu demontieren. »Bleib ruhig, Henker, dann geschieht dir nichts.« Der Hüne löste Loucharts Fesseln und hob ihn auf seine Schultern. Wie im Triumphzug stieg er die Treppe hinunter, während das Volk ihm eine Gasse baute. »Lasst den Henker und seine Gehilfen vorbei. Wehe, einer krümmt ihnen ein Haar.«
    Charles und Henri hatten die Place Saint-Louis noch nicht verlassen, als hinter ihnen die Überreste des Schafotts lichterloh brannten. Sie warteten mit grösster Anspannung auf die Gehilfen, die sich nur unter Aufwendung sämtlicher Leibeskräfte aus der Menschenmasse zu schälen vermochten. Kreidebleich, hielten sie die Zügel von zwei Pferden in den Händen. Einen Wagen hatten sie zurücklassen müssen. Auch er stand in Flammen.
    »Was ist da geschehen, Vater?«, fragte Henri.
    »Du bist Zeuge geworden, wie eine alte Ordnung ins Wanken gerät. Das war erst der Anfang. Das kann niemand mehr aufhalten.«
    Sie stiegen alle in den unversehrt gebliebenen Wagen und fuhren nach Paris zurück.
    »Sie haben den Thron der Gerechtigkeit angezündet«, sagte Desmorets nach einer Weile, »bald werden sie den Thron des Königs den Flammen übergeben. Ich verstehe nicht, wieso der König nichts tut. Er hat genügend Soldaten.«
    »Soll er ganz Paris abschlachten?«, fragte Firmin.
    Barre nickte und setzte seinen dumpfen Gesichtsausdruck auf.
    »Er muss den Anfängen wehren«, insistierte Desmorets, »zeigt er Schwäche, verliert Paris den Respekt.«
    »Man kann eine Idee, deren Zeit gekommen ist, nicht aufhalten«, sagte Charles. »Es kann nicht sein, dass Paris hungert, während die Königin fast zweihunderttausend Livre für ihre Garderobe ausgibt.«
    »Ist etwa der König schuld an den Missernten?«, fragte Desmorets.
    »Nicht an den Missernten«, ereiferte sich Firmin, »aber am Brotpreis.«
    Die Stadt lag im Dunkeln. Die Menschen hatten kein Geld mehr für Kerzen und Brennholz. Sie ernährten sich von Kastanienbrot. Der Brotpreis war erneut explodiert, und der König, der die Hälfte dieses Preises in Form von Zöllen in die eigene Tasche fliessen liess, unternahm nichts, um das Leiden seines Volkes zu lindern. Auf dem Land gab es immer öfter Aufstände und Plünderungen. Banden terrorisierten abgelegene Dörfer und griffen sogar kleine Schlösser an. Einige wagten sich nach Paris und griffen die Mehl- und Brotmärkte an. Sie forderten den Preis des Königs, das heisst den Brotpreis abzüglich der Abgabe für den König, und stürmten und plünderten auf dem Pariser Stadtgebietdie über tausend Bäckereien. Doch die meisten Menschen blieben in ihren Häusern, sofern sie ein Dach über dem Kopf hatten. Mit dem Rauch der letzten Kerzen war auch ihre Hoffnung verweht. Es war, als hätte der Teufel persönlich die Hauptstadt erreicht und den Menschen ihr Lebenslicht ausgepustet. Paris versank in der Finsternis.
    Im Mai 1789 war der Zerfall des Königreichs für alle offensichtlich. Kriege in Übersee während der letzten Jahrzehnte hatten die Finanzen des Königs aufgebraucht. Was übrig blieb, verprasste die Königin mit nächtelangen Festen, die über vierhunderttausend Livre pro Nacht kosteten. Noch teurer waren die Renten, mit denen sie Freundschaften pflegte. Der Herzogin von Polignac schenkte sie über eine Million Livre, ihrem Liebhaber eine Jahresrente von dreissigtausend Livre. Und zwar dafür, dass er an ihren Festen teilnahm. Der König schaute tatenlos zu, nein, er schaute weg, wie immer zögerlich, abwartend, träge, einzig seinem Hobby, der Jagd, verpflichtet und seiner merkwürdigen Leidenschaft als Schlosser. Er konstruierte kunstvolle Türschlösser. Währenddessen nahm die Krone Anleihen von weit über

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