Der Henker will leben Kommissar Morry
der nicht nur altersmäßig, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht weit unter Ihnen stand."
„Wie kommen Sie dazu, zu behaupten, daß zwischen Elliot und mir irgendwelche Beziehungen existieren?"
„Man hat mich davon unterrichtet?"
„Wer?"
„Das ist doch völlig nebensächlich."
Die Frau biß sich auf die Unterlippe, dann sagte sie: „Ja, es stimmt. Elliot und ich waren kurze Zeit befreundet... wenn man das so nennen will."
„Handelte es sich dabei um Beziehungen intimer Art?"
„Nein."
„Wie ist diese ,Freundschaft entstanden?"
„Ach, wissen Sie . .. eigentlich auf ganz einfache und plausible Weise. Vor anderthalb Jahren ging Marcus für sechs Wochen auf eine große Südamerikatournee. Es war die erste Auslandstournee, bei der ich ihn nicht begleiten konnte... ich hatte mir nämlich den Fuß verknackst. Es war meine Absicht, ihm später mit dem Flugzeug zu folgen, aber daraus wurde nichts."
„Wegen Elliot?"
„Ja. Ich zog nämlich in Marcus" Haus, weil das eine günstige Gelegenheit war, mein eigenes Haus gründlich renovieren zu lassen. Elliot, der von nun an täglich um mich war, erwies sich als ein rücksichtsvoller Pfleger. Ich merkte, daß ich ihm gefiel, und ich fing an, ein bißchen mit ihm zu flirten. Können Sie das nicht verstehen? Ich langweilte mich... und es machte mir Spaß, Elliot ein bißchen zu umgarnen. Ich war mir durchaus darüber im klaren, daß es nicht mehr als ein Flirt sein durfte. Das war ich meinem Sohn schon schuldig! Ich konnte mit seinem Butler doch schließlich kein Verhältnis beginnen!"
Sie blickte den Inspektor an, als erwarte sie seine Zustimmung, aber da er schwieg, fuhr sie fort: „Tja ... ich hatte eben zuviel Zeit in jenen Wochen. Ich war ans Haus gefesselt, und Elliot war ständig um mich. Dann war mein Fuß eines Tages geheilt und ich hätte Marcus nach Südamerika folgen können. Aber dieser Gedanke reizt mich plötzlich nicht mehr. Ich hatte ... das bestreite ich nicht... mein Herz an Elliot verloren. Eines Abens erfuhr ich, daß er nicht einmal tanzen konnte. Ich zeigte ihm ein paar Schritte... und da passierte es! Wir küßten uns. Elliot wurde noch am gleichen Abend ein wenig zudringlich, aber ich hatte wenig Mühe, ihn abzuwehren. Von da an entwickelte sich ein ziemlich merkwürdiges Verhältnis zwischen uns beiden... eine Art verdrängter Liebe, die nicht den rechten Mut hatte, sich offen zu bekennen. Ich redete Elliot schließlich ins Gewissen, ich sagte ihm, wie alt ich sei... und von jenem Tag ab benahmen wir uns wie gesittete Menschen. Er ist mir niemals wieder zu nahe getreten. Ich habe ihm das stets hoch angerechnet, obwohl es mich gleichzeitig ein ganz klein wenig enttäuschte."
„Wenn es so harmlos war, wie Sie sagen, bleibt unerfindlich, weshalb Sie solch einen Horror davor haben, diese kurze Episode einzugestehen!"
„Gütiger Himmel, Inspektor... können Sie das wirklich nicht verstehen? Marcus würde aus allen Wolken fallen, wenn er davon erführe! Soll ich mir die Achtung des einzigen Menschen verscherzen, den ich liebe? Außerdem... jetzt, wo der arme Elliot tot ist, muß ich mehr denn je vermeiden, daß etwas von dieser Episode bekannt wird. Sie wissen genau, was die Klatschreporter der Boulevardpresse daraus machen würden!"
„Ich kann es mir gut vorstellen", räumte Claremont ein und blickte der Frau in die Augen. „Wenn ich zum Beispiel der von Ihnen zittierten Prese angehörte... nun, ich wüßte verdammt genau, was ich berichten und konstruieren würde!"
„Nun?"
„Ich würde behaupten, daß es in Elliots Absicht gelegen habe, ein Restaurant zu eröffnen, aber daß er das dazu erforderliche Barkapital nicht besessen habe."
„Eine verrückte Geschichte!" unterbrach ihn die Frau.
„Oh... bis hierher hat sie den Vorteil, den Tatsachen zu entsprechen", sagte Claremont.
„Davon wußte ich nichts."
„Hören Sie weiter: da Elliot also nicht genug Geld hatte, um sein Ziel zu erreichen, fing er an, Sie zu erpressen. Er drohte Ihnen an, Einzelheiten über die kurze Liaison laut werden zu lassen... eine Enthüllung, an der Ihnen aus rein gesellschaftlichen Erwägungen nichts liegen konnte. In die Enge getrieben von der Furcht, daß er seine Erpressungen endlos fortsetzen könnte, beschlossen Sie ihn aus dem Wege zu räumen!"
„Sie haben eine tolle Phantasie!" sagte die Frau... ziemlich atemlos, wie es dem Inspektor schien.
„Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?"
„Nein, ich möchte erklären, daß Ihre
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