Der Henker will leben Kommissar Morry
Halbweltdame gerechnet... mit irgendeiner Gangster-Molly, die sich mit dem Bild der Erpresserin deckte, das sie sich aus vielen Film- und Fernsehsendungen zurecht gelegt hatte. Ihr gegenüber stand ein junges Mädchen in einem schlichten Wollkostüm. Die Kleine war weder schick noch aufregend, sie sah ganz hübsch aus und wirkte irgendwie bürgerlich.
„Ich bin Ellen Brewer", stellte sich das Mädchen vor.
„Ist das Ihr wirklicher Name?"
„Ja, das ist mein wirklicher Name", sagte das Mädchen. „Ich habe bisher bewußt vermieden, ihn am Telefon zu nennen. Sie werden sich die Gründe denken können. Ich hatte keine Lust, das Schicksal von Deila Glyne und Elliot zu teilen. Jetzt ist das etwas anderes, denn mit der Pistole haben wir Sie fest in der Hand. Das sehen Sie doch ein?"
Mrs. Porezzi blickte nervös um sich. Junge Mütter in Begleitung ihrer aufgeregten Kleinen umdrängten die Verkaufsstände. Niemand kümmerte sich um zwei etwas abseits stehende, in ein Gespräch verwickelte Damen. Aber trotzdem fühlte sie sich bemüßigt zu sagen: „Nicht so laut, bitte! Hier ist wirklich nicht der richtige Platz, um darüber zu sprechen!"
„Wollen wir uns ins Restaurant setzen?"
„Hier bei ,Macy's'?" fragte Mrs. Porezzi entsetzt. „Ausgeschlossen! Da ist um diese Zeit jeder Tisch besetzt. Gehen wir irgendwo anders hin..."
„Zum Beispiel?"
„Können wir nicht Ihre Wohnung aufsuchen?"
Ellen Brewer dachte nach. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, das würde auffallen. Wir werden schon irgendwo ein kleines Lokal finden..."
„Ja, selbstverständlich. Mir fällt gerade ein, daß ganz in der Nähe das Windsor ist. Wahrscheinlich kennen Sie es. Ein ziemlich teures Speiserestaurant. Um diese Zeit wird dort kaum etwas los sein. Da finden wir bestimmt einen Tisch, um ungestört miteinander sprechen zu können."
„Viel gibt es ja nicht zu bereden", meinte Ellen Brewer, während sie mit Mrs. Porezzi auf den Fahrstuhl zustrebte. „Sie werden mir im wesentlichen nur sagen müssen, wie Sie sich die Zahlung vorstellen, und welcher Termin für die erste größere Rate in Frage kommt."
„Ich habe zweitausend Dollar in der Handtasche", erklärte Mrs. Porezzi. „Als sofortige Anzahlung... und als Zeichen meines guten Willens!"
„Das Geld können Sie behalten", sagte Ellen Brewer kühl. „Es ist zu wenig... auch als sogenannte Sofortanzahlung. Mit Almosen will ich nichts zu tun haben. Als erste Rate fordere ich eine Mindestsumme von zehntausend Dollar...“
„Sprechen Sie doch nicht so laut!" warnte Mrs. Porezzi ärgerlich. Sie hatte das Gefühl, von einer Verkäuferin einen verblüfften Blick aufgefangen zu haben.
„Niemand beachtet uns."
„Man kann trotzdem nicht vorsichtig genug sein!"
„Haben Sie Angst?"
„Ich habe mehr zu verlieren als Sie!"
„Das stimmt, nehme ich an."
Mit dem Lift fuhren sie nach unten. Ein Taxi brachte sie in das nur wenige Straßenzüge entfernt liegende .Windsor". Sie nahmen an einem Tisch in Fensternähe Platz. Ellen Brewer setzte sich mit dem Rücken zur Wand, so daß sie die Tür im Auge behalten konnte. Dann steckte sie sich eine Zigarette an. Der Ober trat an den Tisch und erkundigte sich nach den Wünschen der Damen. Beide bestellten je einen Kaffee mit Weinbrand.
„Ich liebe dieses Restaurant", sagte Mrs. Porezzi, nachdem der Kellner gegangen war. „Es strömt eine Atmosphäre von Vornehmheit aus, finden Sie nicht auch?"
„Ich bin noch niemals hier gewesen", meinte Ellen Brewer. „Mit meinem kleinen Gehalt kann ich keine großen Sprünge machen."
„Sie sind Angestellte?" erkundigte sich Mrs. Porezzi interessiert.
„Ja. Stenotypistin. Elliot und ich hatten vor, uns selbständig zu machen. Wir wollten ein Lokal eröffnen. Sein Tod hat diese Pläne zunichte gemacht. Deshalb werden Sie, Elliots Mörderin, Schadenersatz leisten müssen. Das ist die einfache Rechnung, die ich Ihnen präsentiere."
„Sie hassen mich nicht, obwohl ich Ihren Verlobten getötet habe?"
„O ja, ich hasse Sie. Aber sollte ich Sie dieses Hasses wegen bei der Polizei anzeigen und auf den Stuhl bringen? Das würde zwar meine Rachsucht befriedigen, aber nicht einen Cent einbringen."
„Sie vergessen die Belohnung, die auf die Ergreifung des Mörders ausgesetzt wurde."
„Je fünftausend Dollar, ich weiß. Macht zusammen zehntausend. Von Ihnen bekomme ich das Zwanzigfache!“
„Sie müssen mir Zeit lassen."
„Wie lange?"
„Etwa ein Vierteljahr."
„Die Hälfte der Summe brauchen
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