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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Roberts
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stetige Geschwindigkeit von fünfzig Stundenkilometern, und die hielt der Herodes-Killer immer ein, wenn er die Tragenden abholte oder ihre sterblichen Überreste ablegte.
    Was er niemals tat, war, das Blaulicht oder die Sirene einzuschalten. Beide Möglichkeiten hatte er deaktiviert. Blaulicht und Sirene machten das nahezu Unsichtbare schreiend offensichtlich, und Glaubenswerke bedurften der Diskretion.
    Julia Caton lag in eine dicke, schwarze Plastikfolie eingeschlagen im Transportraum. Ihre Gebärmutter war mit einem glatten Stein gefüllt, fünf Kilo schwer, damit sie am Ablageort dort blieb, wo sie sein sollte.
    Sie lag in Embryonalhaltung auf einer vierrädrigen Fahrtrage mit Scherengestell.
    Die Ablagestelle befand sich im Fluss, diesmal in der Nähe der Albert Bridge Road. Als er durch die Straßen des Londoner Postleitzahlbezirks SW11 fuhr, war die Nacht klar und der Verkehr schwach, was ihm viel Lob und Dank entlockte.
    Er setzte den Rettungswagen zurück. Zwei leere Boote schaukelten auf den Wellen; das Plätschern des Wassers und sein Anblick taten seinen Augen und Ohren gut.
    Es machte ihn ungeduldig, warten zu müssen. Er stieg aus und stellte sich hinter den Wagen. Die Kälte drang durch seine grüne Rettungsdienstuniform.
    Er konnte den Verkehr hören, aber nicht sehen, was bedeutete, dass auch niemand ihn sehen konnte. Er öffnete die hintere Tür des Rettungswagens und blickte sich aufmerksam um.
    Ein Stadtstreicher wanderte an der Westbiegung des Flusses am Ufer entlang und verschmolz mit der Dunkelheit. Sollte ihn ein Unglückseliger dabei stören, wie er die Fahrtrage zum Ufer rollte, hatte er eine Geschichte parat.
    «Ich habe die Leiche gerade aus dem Wasser gezogen. Sieht aus wie Selbstmord. Könnten Sie vielleicht ein bisschen näher kommen, mein Kollege ist da unten, schauen Sie, wenn Sie gerade einmal … hierherkommen könnten …»
    Bisher war er bei seinem Werk nie gestört worden, seine Gebete waren erhört worden.
    Er band die Plastikplane auf und kippte die Tote ins Wasser, das über ihr zusammenschlug. Es würde sinken und sie freigeben, wenn die Nacht dem Tagesanbruch wich.
    Wenn er sich an seine Anweisungen hielt, würde er dort Erfolg haben, wo Alessio Capaneus gescheitert war.
    Er verweilte noch einen Augenblick und betrachtete die Gestalt unter Wasser. Sie war die hübscheste der Ungebärenden gewesen, und jetzt, da sie sich nicht länger unter seinem Einfluss befand, überraschte ihn ein Gefühl, das ihn in seiner Kindheit oft überfallen hatte, etwas, was er längst überwunden zu haben meinte.
    Im Rettungswagen glitt er durch den schwachen Verkehr der späten Nachtstunden, konnte das Gefühl aber nicht abschütteln.
    Im Versuch, dem etwas entgegenzusetzen, dachte er über den Kriminalbeamten nach, der immer im Kreis lief und seinem eigenen Schwanz nachjagte. David Rosen.
    Er stellte das Radio an, um den Klang menschlicher Stimmen zu hören und die unermessliche Tiefe seiner Einsamkeit auszulöschen.

[zur Inhaltsübersicht]
    27
    Eine Wolkenbank gab den Mond frei, und ein Strahl bleichen Lichts beleuchtete das Gesicht Jesu Christi. Seine Augen waren geschlossen, und die obere Hälfte seines Gesichts war mit einer Mullbinde bedeckt.
    Mit weit geöffneten Augen starrte Father Sebastian Flint schlaflos auf die Wand über seinem Bett, wo das Bildnis des Messias hing.
    Der Tagesanbruch war einen Ozean weit weg. Er wandte seinen Blick dem Fenster und dem Nachthimmel zu. Nach der Position der Sterne zu schließen, würden Aidan und die anderen Brüder nun zur Vigil – dem Gebet um zwei Uhr morgens – in die Kapelle gehen, und dort, an der Tür der Kapelle, würde Sebastian den Leiter des Klosters abpassen. Er schloss die Tür seines Zimmers und marschierte durch die Dunkelheit los.
    Selbst im Hochsommer war es in den Korridoren von St Mark’s kühl, aber im März wirkte die Kälte so beißend, als wäre sie eigens dazu da, die Männer gegen ihren Körper aufzubringen und so viel Unbehagen zu erzeugen, dass jeder sich danach sehnte, aus der eigenen Haut zu schlüpfen. So konnte man sich auf den Tod und den Zerfall des Fleisches freuen.
    Am Fenster war ein in die Wand gemauerter Sitzplatz, und hier wartete Sebastian, unbemerkt von der kärglichen Zahl von Männern, die an ihm vorbei in die Kapelle tröpfelten. Er zählte sie wie Schafe.
    Aidans Schritte verharrten im Korridor, und er blickte sich um.
    «Ich bin hier, Aidan. Hier bin ich.»
    Aidan starrte in die

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