Der Herodes-Killer
zunächst übersehen, und die Notfallärzte begriffen nicht, wie ein so gesunder junger Mensch plötzlich einen Herzstillstand erleiden konnte.»
Einen Moment lang schwiegen alle, und dann sagte Eleanor Willis: «Genauso ist dieser Australier Steve Irwin gestorben. Der Stachelrochen hat den Herzbeutel durchbohrt und das Herz getroffen; Blut aus dem Herzen überflutet die Perikardhöhle und unterbricht die Pumpleistung des Herzens. Er war innerhalb weniger Sekunden tot.»
«Billiger und leichter zu besorgen als eine Pistole», schloss Bellwood.
«Eine Mordwaffe, der man sich leicht entledigen kann», fügte Willis hinzu.
Parker richtete das Licht auf Julias Hände. Finger und Nägel waren nicht sichtbar beschädigt, anders als bei den ersten vier Opfern.
«Vielleicht hat er Julia nicht in derselben Kiste eingesperrt wie die anderen. Vielleicht wurde sie getötet, bevor sie Gelegenheit hatte …»
Das Bild vor Rosens innerem Auge erzeugte einen schlechten Geschmack in seinem Mund, und er fragte sich, ob er einfach nur ein paar Worte absonderte, um den Moment abzuwehren, an dem er Parkers Licht zu der riesigen Wunde im Unterleib folgen musste. Er zwang sich hinzuschauen.
Der Anblick des Steins in ihrem Bauch, der tote Brocken dort, wo das Leben herkam, ließ Rosens Mund und Kehle trocken werden. Er hatte gründlich über die rituelle Bedeutung des Steins anstelle der entnommenen Gebärmutter nachgedacht; er hatte den Rat anthropologischer Experten eingeholt und keinen Vorläufer gefunden. Es schien sich um ein praktisches Hilfsmittel zu handeln, Ballast, damit die Leiche nicht weggetrieben wurde.
Bei diesem Gedanken hätte Rosen am liebsten laut geschrien, lang und aus Leibeskräften. Er verließ das Zelt.
«Kann ich den Stadtplan haben?», rief Rosen Bellwood zu. «Den Plan bitte.»
Bellwood kam heraus und reichte ihm eine durchsichtige Kunststoffmappe mit einem Stadtplan Londons. Er entfaltete ihn und markierte die Stelle, wo die Albert Bridge Road auf das Chelsea Embankment traf, mit einem blauen Kreuz und der umkringelten Zahl Fünf. Die blauen Kreuze für die erste Leiche im See des St James’s Park und die dritte Leiche an der Ecke Victoria Street und Vauxhall Bridge Road verbanden sich mit Julias Fundort zu einem leicht abknickenden Schrägstrich.
«Die ungeraden Zahlen bilden die eine Linie», meinte Rosen und fuhr sie mit den Fingern bis zum St James’s Park nach. «Die geraden Zahlen bilden eine weitere, schräg nach unten verlaufende Gerade. Der zweite Ablageort, der von Alison Todd, befand sich unmittelbar unter der Lambeth Bridge, und die vierte Leiche, die von Sylvia Green, wurde am Rande des Oval Cricket Ground gefunden. Carol, sehen Sie das? Sehen Sie, was das ist?»
«Ein schiefes Dreieck ohne Grundlinie.»
«Nein, kein schiefes Dreieck. Tatsächlich sogar überhaupt kein Dreieck. Dies hier ist ein Buchstabe, der Buchstabe A. A für Alessio.» Seine Stimme senkte sich, er sprach sowohl leiser als auch tiefer. Ein finsterer Gedanke, bisher geheim, suchte sich einen Weg ans Licht. «Ich muss mit Father Sebastian Flint sprechen. A für Alessio. Der Mörder zeichnet die Erde mit der Initiale des Namens, den die Menschheit auszulöschen versucht hat.»
Rosen legte den Finger auf die Mitte der Vauxhall Bridge Road, die Stelle im Herzen des A, an der der Querstrich die beiden diagonalen Seiten verbinden würde, und spürte, wie ihn angesichts der vorhersehbaren Zukunft ein Schauder überlief. Father Sebastian hatte recht – der Herodes-Killer würde erneut töten, und zwar bald.
An der Einmündung der Oakley Street in die Albert Bridge Road versammelte sich eine immer dichter werdende Menschentraube vor dem Absperrband. Ein Sergeant weigerte sich, die Fragen der Leute zu beantworten, während ein Constable ein Stück weiter straßenaufwärts dafür sorgte, dass der Verkehr dem Umleitungsschild folgte.
Zwei Polizeiwagen, der eine ein Streifenwagen, der andere ein Zivilfahrzeug, hielten vor dem Band, aber Harrison sah nicht, wer ausstieg. Seine Aufmerksamkeit wurde von einer Gestalt beschlagnahmt, die hinter der Menschenmenge stand.
Er trug einen schwarzen Anzug und einen schwarzen Mantel und hatte das Gesicht dem Himmel zugekehrt, dessen Wolken er anklagend zu mustern schien. Einer der vielen geistig verwirrten Wanderer auf den Straßen Londons, wenngleich dieser Mann gut gekleidet war und körperlich gesund wirkte. Da sein Kopf nach oben gewendet war, waren die Gesichtszüge nicht zu
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