Der Herodes-Killer
erkennen, sodass sich eine Einzelaufnahme mit der Kamera nicht lohnte.
Harrison machte Fotos von Einzelnen und Gruppen, Paaren, Ankommenden und Weggehenden, die von anderen Pflichten gerufen wurden.
Der Mann im schwarzen Anzug blickte noch immer zum Himmel, aber sein Kopf senkte sich langsam, und sein Gesicht war jetzt deutlich zu erkennen. Harrison machte eine Aufnahme des Mannes. Er betrachtete das Foto. Das Gegenlicht war furchtbar, er konnte nur einen verschwommenen Umriss erkennen. Löschen? Harrison drückte auf «Okay». Das Bild war weg.
Er bemerkte, dass alle den Blick auf das weiße Zelt am Ufer der Themse gerichtet hatten. Alle bis auf einen.
Der Mann im schwarzen Anzug blickte ihn direkt an. Oder starrte der Mann ins Leere, und es wirkte nur so, als wären seine Augen auf Harrison gerichtet? Der Blick des Mannes wurde entschlossener, und jetzt wusste Harrison, dass er ihm galt. Der Mann lächelte, aber das Lächeln verschwand beinahe sofort wieder. Er hob die Hand leicht zum Gruß, deutete auf Harrison und dann auf sich selbst und stellte so eine Verbindung zwischen ihnen her. Dann zeigte er auf eine Stelle ein wenig von der Menschenmenge entfernt und ging dorthin. Harrison folgte ihm.
«Ja?», fragte Harrison.
«Warum sind Sie hier?»
«Was meinen Sie damit?»
«DCI Rosen, Ihr Chef, ist ein Trottel. Deswegen stehen Sie hier und schießen Fotos, wo Sie doch eigentlich dort hinten sein und Beweise analysieren sollten.»
«Wer sind Sie?», fragte Harrison.
«Ich zeige Ihnen meinen Polizeiausweis, wenn Sie mir Ihren zeigen.»
Eine Stimme rief aus mittlerer Entfernung: «Harrison!» Harrison wandte sich um. Es war Feldman. «Der Chef hat in fünf Minuten eine Versammlung anberaumt.»
«Wer sind Sie?», wiederholte Harrison, jetzt wieder dem Mann zugewandt.
«Wer ich bin? Ich bin jemand, der sehr wütend auf Rosen ist. Bis bald.»
Der Mann drehte sich um und ging davon. Harrison widerstand dem Drang, ihn zurückzurufen, und sah ihm stattdessen nach, wie er sich im Gewusel der Londoner Straße verlor, in der das normale Leben weiterging.
Harrison hob seine Kamera, um noch mehr Aufnahmen der Gesichter in der wachsenden Menschenmenge am Absperrband zu machen. Hinter seiner Linse lächelte er.
Das Wasser plätscherte neben Rosens Füßen, und die Punkte eines verzogenen Buchstabens A zeichneten sich vor seinem inneren Auge ab. Er blickte sich nach Bellwood und Corrigan um, die über den Stadtplan gebeugt dies und das diskutierten.
Rosen spürte das Handy in seiner Jacketttasche vibrieren.
Auf dem Display wurde eine innerstädtische Londoner Festnetznummer angezeigt.
«David Rosen?»
Er erkannte die Stimme sofort.
«Father Flint. Ich hatte gerade über Sie nachgedacht.»
«Ich fühle mich geschmeichelt. Und ich kann Ihnen zu meiner Freude sagen, dass ich das Kompliment aufrichtig erwidere. Ich habe ebenfalls über Sie nachgedacht.»
«Sie sind … wo befinden Sie sich?»
«Ich bin heute in London. Ich rufe Sie aus einer Telefonzelle an. Kann ich mich irgendwann mit Ihnen treffen?»
«Ja. Wo genau befinden Sie sich?»
«Haben Sie zu tun?»
«Ja, ich bin beschäftigt, aber ich kann …»
«Das klingt nach einer schlechten Nachricht. Ist das Wasser, was ich höre?»
«Warum sind Sie in London, Father?»
«Das hat sich aus unserer kleinen Plauderei ergeben. Ich war bisher noch nie in London. Ich bin neugierig. Sie wissen schon, nicht auf die Sehenswürdigkeiten. Ich möchte etwas nachschlagen, in der British Library.»
«Was denn?» Schweigen. «Was wollen Sie in der British Library nachschlagen?»
«Dinge in Büchern.»
Rosen bediente sich nun ebenfalls des Schweigens, während das Wasser hinter ihm rauschte.
«Ich glaube, wenn meine Nachforschungen erfolgreich sind, kann ich Ihnen ein wenig helfen.»
«Nennen Sie mir einen Ort und eine Zeit, Father.»
«Charing Cross Station, in der Bahnhofshalle, um 17.15 Uhr.»
Und damit war die Leitung tot.
Bellwood trat zu ihm und fragte: «Wer war das?»
«Father Sebastian Flint. Er hat Sie noch nie gesehen, oder?»
«Nein.»
«Falls er beabsichtigt, heute Nachmittag zum St Mark’s zurückzufahren, möchte ich, dass Sie ihm heimlich folgen. Von Charing Cross zum Canterbury East, dem nächstgelegenen Bahnhof; er liegt Meilen entfernt, aber nahe bei St Mark’s.»
«Warum?» Bellwood klang verblüfft, aber darüber hinaus wirkte sie auch besorgt.
«Er ist vielleicht ein Mörder.»
«Ein Mörder oder unser Mörder?»
«Ich bin mir noch
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