Der Herodes-Killer
war und schon an einem anderen hätte sein sollen.
«Entschuldigen Sie», sagte er zu einer vorbeikommenden Sprechstundenhilfe. «Gibt es eine Verspätung?»
«Ja, uns sind andauernd zusätzliche Fälle reingeschoben worden.»
«Wenn du gehen musst, geh», sagte Sarah.
«Sarah Rosen!», rief eine Ultraschall-Assistentin.
Sie folgten ihr in ein schlichtes Zimmer mit einem Ultraschallgerät und einer grünen Kunstlederliege. Rosen machte die Tür hinter sich zu, und die Assistentin bat Sarah, sich hinzulegen. Er setzte sich neben Sarah auf einen Stuhl.
Sarah drückte Rosens Hand, während die Assistentin, die schon älter aussah, sich aber bewegte wie eine junge Frau, aus einer Tube kaltes Gel auf ihren Bauch drückte. Sie lächelte und fragte: «Sind Sie bereit, Mrs. Rosen?»
Die Assistentin legte die Ultraschallsonde auf Sarahs Bauch, führte sie prüfend hin und her und sagte: «Hören Sie.»
«Eine Bauchhöhlenschwangerschaft?», fragte Sarah.
«Überhaupt nicht. Das Baby ist in Ihrer Gebärmutter. Genau da, wo es hingehört.»
Die Stille kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Auf einmal hörten sie das schnelle Schlagen eines winzigen Herzens, das auf dem Bildschirm als Diagramm sichtbar wurde. Sarah lachte, und Rosen kam es vor, als wäre eine verschlossene Tür in seinem Inneren aufgesprungen.
«Schauen Sie.»
Ein Kopf. Zwei Arme. Zwei Beine. Ein Körper. Das Rückgrat des Babys war wie ein Pfad.
«Dann ist es also wahr», sagte Rosen, blickte vom Bildschirm in Sarahs Lächeln und wieder zum Bildschirm zurück. Das Baby war noch immer da, hatte den Arm erhoben und den Daumen zwischen die Lippen gesteckt.
«Er lutscht am Daumen.» Es war eine so kleine Handlung, aber ein so großes Ereignis.
«Es könnte ein Mädchen sein», meinte Sarah.
«Möglich, aber ich wusste nicht, dass Babys das im Mutterleib machen.» Noch während er das sagte, wurde ihm klar, wie viel er vielleicht würde neu lernen müssen. «Das wusste ich nicht.» Er bemühte sich, die Ehrfurcht in seiner Stimme zu unterdrücken, und schaute genauer auf den Bildschirm. Es war noch da. Das Baby war noch da.
«Sie machen alle möglichen großartigen Sachen im Mutterleib. Wenn man einmal so viele Ultraschalluntersuchungen gemacht hat wie ich, weiß man schließlich so einiges über Babys. Schon jetzt hat jedes seine ganz eigene Persönlichkeit. Von fröhlich bis zu mürrisch und alles, was dazwischenliegt. Schauen Sie sich einmal das Gesicht an. Können Sie es erkennen?»
Rosen versuchte, die winzigen Gesichtszüge zu erfassen, wusste aber nicht recht, wohin er schauen sollte.
«Das hier ist ein ruhiges Baby. Die Ruhigen haben normalerweise ein angeborenes Gefühl dafür, dass sie geliebt und gewollt sind.»
«Können Sie sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?», fragte Rosen.
«Ich weiß nicht recht», meinte Sarah rasch.
David fragte sich, ob er seine Samstage später im Fußballstadion oder zeitunglesend in irgendeinem Tanzstudio verbringen würde, doch das Einzige, was wirklich zählte, war, dass es gemeinsame Samstage mit seinem Sohn oder seiner Tochter geben würde.
«Manche Leute wollen Bescheid wissen, damit sie planen können», erklärte die Assistentin. «Das Zimmer streichen, Kleider kaufen, so was eben.»
«Möchtest du Bescheid wissen, David?»
«Wenn du es wissen möchtest.»
«Ist es ein Junge oder ein Mädchen?»
«Schauen Sie auf den Bildschirm, wir warten ab, bis das Baby sich ein bisschen hierher dreht.»
Die Assistentin fasste den Bildschirm ins Auge, dann Sarah und schließlich David.
«Ich erkenne die Züge der Eltern in der Gesichtsform. Wenn Sie die Nasenform des Babys anschauen, das sind ganz Sie, Mrs. Rosen, aber die Kinnpartie stammt eindeutig vom Vater. Das Baby weist Züge von Ihnen beiden auf, aber ich habe so die Ahnung, dass es mehr auf Sie hinauskommen wird, Mr. Rosen.»
Zeit und Raum fielen in sich zusammen, und wieder überfiel Rosen die Erinnerung an seinen weggehenden Vater, aber zum ersten Mal ohne den Schmerz, der diese sonst immer begleitet hatte.
«Das werde ich dir niemals antun», murmelte Rosen.
«Was war das, Mr. Rosen?», fragte ihn die Assistentin. Sarahs Hand schloss sich fester um seine.
«Wahrscheinlich entschuldigt er sich beim Baby dafür, dass er es mit seinem Gesicht gestraft hat.»
«Es ist ein Junge», erklärte die Assistentin. «Zeit für eine dumme Frage. Hätten Sie gerne ein Bild von Ihrem Kind? Allerdings wird eine kleine Gebühr dafür fällig.»
Sie
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