Der Herodes-Killer

hingen. Er trat von der Tür zurück.
    Sarah blickte auf und sah, wie die Tür sich vor Dr. Reids Gesicht schloss.
    «Dr. Reid?», sagte sie.
    Sein Gesicht verschwand. Die Tür ging ganz zu.
    Sarah drückte den Knopf, um sie erneut zu öffnen, aber nichts geschah. Jemand klopfte von der anderen Seite gegen die Tür, und sie hörte Dr. Reids Stimme: «Ich sehe Sie dann unten, Mrs. Rosen.»
    Sie drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss, und als der Lift langsam losfuhr, hörte sie ein Geräusch, als ob jemand atmete. Es kam von der grünen Decke auf dem Bett. Plötzlich fiel ihr darunter der Umriss eines Körpers auf, den sie bei ihrem flüchtigen Blick für einen zerknüllten Haufen krankenhauseigener Bettdecken gehalten hatte.
    «Ist alles in Ordnung mit Ihnen?», fragte sie.
    Eine Hand fiel unter der Decke heraus und baumelte vom Bett herunter. Gesicht und Kopf waren noch immer nicht zu sehen.
    «Ich hebe jetzt einfach nur die Decke hoch», sagte Sarah.
    Die Zeitungen waren voll von Geschichten über alte Menschen, die auf Krankenhausbetten gestrandet und stundenlang vergessen worden waren.
    «Haben Sie keine Angst», sagte sie, obgleich sie selbst Furcht empfand. Der Atem unter der Decke wurde tiefer und rauer, als sie den Stoff zurückschlug.
    Pechschwarzes Haar, winzige Ohren, ein Mann, der mit dem Gesicht nach unten dalag.
    «Versuchen Sie, sich umzudrehen», sagte sie freundlich.
    «So zum Beispiel?», gab er zurück.
    Zähne und Augen, das war alles. Ein Blitzstrahl der Dunkelheit vor sanftem Hintergrundlicht, und plötzlich tauchte eine Injektionsspritze auf und stach in ihre Hand. Sie erstarrte. Die Nadel bohrte sich in ihr Fleisch. Sie starrte den Mann einen Augenblick lang an und streckte dann die andere Hand nach der Metallwand aus, wo die Knöpfe nur darauf warteten, gedrückt zu werden. Die enge Kabine fühlte sich plötzlich wie ein Metallsarg an. Die vier Wände schienen sich um sie zusammenzudrängen, während sich Panik in ihr breitmachte. Auf halbem Weg zu den Knöpfen verlor ihre Hand die Kraft und fiel herunter.
    Das in die Wand eingebaute Notruftelefon schien vor ihr zurückzuweichen.
    Sie versuchte, nach ihrem Mann David zu rufen, während die Anzeige oben zum Buchstaben E für Erdgeschoss wechselte. Aber es war zu spät. Der Mann machte sich daran, Sarahs schlaffen Körper in den Rollstuhl zu bugsieren.
    Ihr Kopf kippte zurück, als er sie darin absetzte, und das Letzte, was sie sah, war das Weiß seiner Zähne und das Weiße in seinen Augen.
    Als sie ins Nichts sank, hallte eine Stimme in ihr nach.
    «Ich komme nicht aus der Dunkelheit. Ich bin die Dunkelheit selbst.»

    Als der Sanitäter in der grünen Uniform, eine schlummernde Patientin im Rollstuhl schiebend, aus dem Bettenlift trat, wandte er einer sich nähernden Krankenschwester den Rücken zu und zog die Decke seiner Patientin zurecht: «Haben Sie es auch schön warm?»
    Er zwang sich zu einem Lächeln und spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfeifen, während er die sechste und letzte Tragende im Rollstuhl vom Lift zum Haupteingang schob.
    «Ja», erwiderte er auf eine Frage, die sie nicht gestellt hatte. «Ich habe zwei Jahre lang Medizin studiert. Das war eine glückliche Zeit, ich habe eine Menge gelernt, wirklich.»
    Er hielt den Blick nach vorn gerichtet, als er an einer aus ihrer Pause zurückkehrenden Stationssekretärin vorbeiging, der ersten Person, die ihm entgegenkam. Sie reagierte nicht, ebenso wenig wie die Krankenschwestern, die seine Bahn kreuzten, oder der Anästhesist, der ihn auf dem Weg zum Ausgang und den Krankenwagenstellplätzen dahinter überholte.
    Sarahs linkes Auge war nicht ganz geschlossen. Ein weißer Rand glänzte darin, ein betäubter Halbmond.
    Der Krankenwagen, sein Krankenwagen, parkte dort. Er stand neben einer weiteren Ambulanz.
    Er öffnete die Hecktür und schaute sich um. Es waren Leute da, alle möglichen Menschen kamen und gingen. Aber keiner schien hinzuschauen, als er die Tragende hinten in den Transportraum verfrachtete.

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    Als Rosen Richtung Royal Street rannte, kam ihm auf der Lambeth Palace Road ein Streifenwagen entgegen. Er streckte ihm seinen Polizeiausweis mit der einen Hand entgegen und winkte den Wagen mit dem anderen Arm zu sich.
    «DCI Rosen. Ich muss zur Picardie Road in Wandsworth.» Er setzte sich auf den Beifahrersitz und erklärte kurz und knapp: «Herodes-Killer. Erster Angriff.»
    Die Sirene heulte auf, und innerhalb von drei Sekunden