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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Roberts
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gehofft haben, darauf, dass die Tür aufgebrochen wurde und im letzten Augenblick die Rettung kam; aber das war das Vorrecht von jemandem, der nicht mit einem Polizisten verheiratet war. Sie war eingeweiht, sie kannte Rosens Wissen und wusste über seine Enttäuschungen Bescheid.
    Sarah führte die Flüssigkeit an ihre Nase.
    Als sie an ihren Fingern roch, fiel ein Tropfen zwischen ihre Lippen und auf ihre Zunge: der unverkennbare Geschmack von Salz, und die deutliche Präsenz einer anderen Frau, die in diesem eng umschlossenen Raum gewesen war.
    Gleichzeitig dämmerte ihr die Erkenntnis, dass sie sich an einem Ort befand, der dazu bestimmt war, die Sinnesempfindungen auszuschalten. Die absolute Dunkelheit und vollkommene Stille dienten nicht nur dazu, sie zu verwirren. Sie zitterte stärker. Von Sekunde zu Sekunde wurde ihr kälter und kälter. Ihre Zähne schlugen aufeinander und reizten die Nerven tief unter dem Zahnschmelz. Schmerz breitete sich in ihrem Kiefer aus.
    Sie wusste, dass sie noch drei Tage zu leben hatte. Höchstens. Allerdings hatte sie vermutlich bedeutend weniger Zeit, denn sie und ihr Kind waren die letzten Seelen, die geopfert werden sollten, und zum Abschluss hin würde sich sein Vorgehen wohl beschleunigen.
    Sie verschränkte für einen Augenblick die Hände, um sie am Zittern zu hindern, legte sie auf ihren Bauch und drückte die Ellbogen gegen die Rippen. Sie atmete so lang und langsam wie noch nie zuvor im Leben durch die Nase ein und hielt die Luft dann, so tief sie nur konnte, in der Lunge fest.
    Sie hielt den Atem an, bis das Zittern ein wenig nachließ. Sie spürte, wie ihr das Blut in Gesicht und Kopf strömte, und stellte sich vor, wie ihre Haut sich beim Ansteigen des Drucks dunkler färbte.
    Sie wartete, bis sie es nicht länger aushielt, dann ließ sie die Luft durch einen hauchdünnen Spalt zwischen ihren Lippen entweichen. Sie begriff, dass das die Methode war, wie er seine Opfer vor ihrer Ermordung unfähig machte, sich zu wehren. Der Ausschluss aller Sinnesreize während dreier Tage und Nächte war für sich genommen noch nicht ausreichend, um jeden Widerstand zu brechen. Da war noch ein weiterer Faktor.
    Sauerstoff.
    Er schränkte die Luftzufuhr ein.
    Sie berührte den Deckel des Tanks, um den Abstand zwischen der Wasseroberfläche und dem Deckel sowie die Länge und Breite des Tanks einschätzen zu können. Der Vorgang des Berechnens, wie wenig Kubikzentimeter Luft ihr zur Verfügung standen, hatte etwas auf düstere Weise Beruhigendes, wenn auch nichts Tröstliches.
    Sie hob beide Hände zum Deckel. Er war mit Sicherheit verschlossen, aber dennoch drückte sie ihn mit den Handflächen kräftig nach oben.
    Der Deckel gab ganz leicht nach und öffnete sich auf ihrer linken Seite zu einem winzigen Spalt. Ein Streifen rötlichen Lichts drang von außen in den Tank ein. Und ein Hauch Luft. Sie drückte. Aber der Deckel ging nicht weiter auf. Sie atmete, blinzelte und konzentrierte sich auf das matte Licht.
    Und dann hörte sie ein Geräusch. Schritte, die eine Treppe herunterkamen. Sie senkte den Deckel so weit nach unten, dass nur noch Geräusche, aber kein Licht mehr hereindrangen. Sie wartete. Aber nichts geschah.
    Er befand sich im Raum. Er stand neben dem Tank. Aber nichts geschah.
    Sie wartete einfach im Dunkeln.
    Plötzlich wurde der Tank von Lärm überschwemmt, es klang wie Donner. Wütend krachte etwas Schweres auf den Deckel über ihrem Gesicht.
    Sarah erstarrte. Schreien heißt sterben, lautlos verharren heißt überleben.
    Sie wartete auf dem Salzwasser treibend und fragte sich, ob er über sie gebeugt stand. Jenseits der Dunkelheit, in der sie schwebte, konnte sie kein weiteres Zeichen seiner Anwesenheit entdecken.
    Sie wartete. Die Luft wurde knapp, und sie musste eine Entscheidung treffen. Wenn er noch da war, würde es ihn alarmieren, wenn sie den Deckel anhob; wenn sie ihn aber geschlossen ließ, ging ihr die Luft aus.

[zur Inhaltsübersicht]
    57
    Sarah war nicht nach Hause gekommen. Am Telefon im Haus meldete sich niemand, und zwei Streifenpolizisten bestätigten vor Ort, dass das Haus leer war.
    Sie war nicht in der St Philomena’s School. Bei einer kompletten Durchsuchung von Gebäuden und Schulhöfen wies nichts darauf hin, dass Sarah Rosen sich auf dem Gelände befand, und die Überwachungskameras hatten an diesem Tag nicht aufgezeichnet, dass sie das Gebäude betreten hatte.
    Als aus dem Sachverhalt eine unentrinnbare Tatsache wurde, erinnerte Rosen sich

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