Der Herr der Augenringe
und hatte Boggie-Futter gemampft. »Vielleicht können wir ihnen nachgehen und so den Weg nach draußen finden.« Also machten sie sich trotz ihrer Müdigkeit wieder auf.
Immer weiter trabten sie und riefen vergeblich nach den Leuten, deren hinterlassene Spuren ja bewiesen, dass jemand hier gewesen war: der Rest eines panierten Kalbsschnitzels, ein Boggie-Schundroman, einer von Dildos Esslöffeln. (Was für ein Zufall, dachte Frito.) Aber weit und breit keine Boggies. Indes stießen sie auf ein paar andere Lebewesen. Sie begegneten einem großen Kaninchen mit einer billigen Taschenuhr, das von einem närrischen Mädchen verfolgt wurde, während ein anderes junges Ding von drei rasenden Graubären angefallen wurde (»Da halten wir uns lieber raus«, sagte Frito wohlweislich), und sie kamen an einem verlassenen Pfefferkuchenhaus voller Fliegenschmutz vorbei, an dessen Marzipantür ein Anschlag besagte: »Zu vermieten«. Aber kein Hinweis, wie man aus dem Wald herauskam.
Von Müdigkeit überwältigt, ließen sich die vier plötzlich einfach fallen. Es war später Nachmittag und im Wald schon dämmerig, und ohne ein Nickerchen konnten sie einfach nicht weitergehen. Als ob ein Zaubertrank sie eingelullt hätte, rollten sich die haarigen kleinen Kerle zu pelzigen Kugeln zusammen, und unter den schützenden Ästen eines hohen Baums mit zitternden Blättern pennten sie einer nach dem anderen ein.
Spam merkte zuerst gar nicht, dass er wach war. Er hatte gespürt, dass etwas Weiches und Gummiartiges an seinen Kleidern zog, es aber für einen sehnsüchtigen Traum von jenen reptilischen Sinnenfreuden, die er erst so kürzlich im Kobenland genossen hatte, gehalten. Aber jetzt war er sicher, dass er deutlich ein saugendes Geräusch und ein Reißen von Stoff gehört hatte. Er machte rasch die Augen auf und sah, dass er splitterfasernackt und am Kopf und an den Pfoten durch die fleischigen Wurzeln des Baums gefesselt war. Mit schrillen Schreien weckte er seine Gefährten, ebenfalls verschnürt und ausgezogen von dem sich schlängelnden Gewächs, das jetzt ein deutliches Gurren von sich gab. Der seltsame Baum summte vor sich hin, während er immer fester zupackte. Voll Abscheu sahen die Boggies, dass der leise singende gemischte Salat die orangefarbenen, lippenähnlichen Blüten an seinen Enden herabsenkte. Die knolligen Schoten kamen näher und gaben abstoßende, schmatzende Kusslaute von sich, als sie begannen, sich an ihre hilflosen Körper anzuklammern. In dieser grausamen Umarmung würden die Boggies bald totgeknutscht sein. Mit letzter Kraft schrien sie alle um Hilfe.
»Hilfe! Hilfe!«, riefen sie.
Aber niemand antwortete. Die dicken orangefarbenen Blüten wanden sich über den gefesselten Boggies und stöhnten vor Lust. Eine besonders fette klammerte sich an Spams Boggie-Bauch und begann unerbittlich zu saugen; er spürte, wie sein Fleisch mitten in die Blüte hinaufgezogen wurde. Dann sah Spam voll Schrecken mit an, wie die Blütenblätter mit einem vernehmbaren Platsch! losließen und ein dunkler, übler Striemen zurückblieb, wo der schreckliche Sauger gesessen hatte. Und machtlos, sich oder seine Gefährten zu retten, musste Spam zuschauen, wie die jetzt keuchenden Kelchblätter sich anschickten, ihren letzten, tödlichen Zungenkuss zu verabfolgen.
Doch gerade als sich das lange, rote Staubblatt zu seiner unsäglichen Aufgabe herabsenkte, glaubte Spam nicht weit entfernt Brocken eines fröhlichen Liedes zu hören, das lauter wurde! Es war eine versoffene, verschlafene Stimme, und sie sang Wörter, die für Spams Ohren keine Wörter waren:
»Schnupfen! Schniefen! Drück dir Meskalino!
Weg mit Hasch! Ist zu lasch! Mach’s mit Methedrino!
Nix Promille! Her mit ’ner Pille! Für Tim Benzedrino!«
Obwohl sie wahnsinnige Angst hatten, lauschten sie alle dem Lied, das klang, als leide der Sänger an unheilbarem Mumps:
»Schnüffeln, süffeln! Speed bringt uns durchs ganze Land,
Dealen, bis beschupste Kunden haben uns dann in der Hand!
Wir kennen keinen Vorbehalt, Schluss mit dem Geschmus,
Folgt mir nur, und alsobald wird euer Hirn zu Mus!
High sind wir wie die Vögel hoch droben in der Luft,
Macht mit, denn wir verkaufen Sandalen und sonstige Kluft.
Auf Perlen und Amulette sind Blumenkinder scharf,
So decken wir dann allesamt ’nen wirklichen Bedarf!
Auf Liebe, Frieden, Bruderschaft woll’n wir nun einen heben,
Und gibt es wieder dicke Luft, rennen wir ums liebe Leben!«
Plötzlich
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