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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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Ihr Atem ging schnell und stoßweise. Sie starrte Tallis ängstlich an. »Meine Mutter ist tot«, flüsterte sie.
    »Nein. Die Frau, die dich großgezogen hat, ist tot. Deine Mutter lebt.«
    Shaan stand völlig reglos da. Sie suchte nach Worten, mit denen sie abstreiten konnte, was er gerade behauptet hatte. Sie wollte ihm widersprechen, ihn von sich stoßen, vermochte es aber nicht. Nein, sie konnte nicht leugnen, was direkt vor ihrer Nase stand. Seine Anwesenheit zerrte an ihr wie eine unsichtbare Schnur. Es war eigentlich gar nicht möglich, aber sie hätte das, was eben zuvor mit Nuathin geschehen war, auch nicht für möglich gehalten.
    »Shaan?« Er streckte eine Hand aus, doch sie machte einen Schritt zurück. Sie wollte nicht, dass er sie berührte, konnte aber nicht die Kraft aufbringen, seine Worte abzustreiten. Sie fühlten sich wie die Wahrheit an.
    »Können wir uns unterhalten? Begleitest du mich in das Zimmer, das sie mir gegeben haben? Wir haben uns so viel zu erzählen.«
    Sie zögerte, doch ihr fiel kein Grund ein, die Einladung auszuschlagen. »Aber nicht lange«, sagte sie.
    »Gut, dann komm.« Er drehte sich um und machte sich auf den Weg, und beinahe bei jedem Schritt sah er sich zu ihr um. Sie folgte ihm, hielt aber Abstand.
     
    Das Zimmer, das er in der Baracke bewohnte, war klein und sah allen anderen Räumen sehr ähnlich. Der zweite Clansmann saß auf einem der vier Betten und lehnte sich gegen die Wand. Er war größer als Tallis, seine braunen Haare waren in vielen Zöpfen aus dem Gesicht gebunden, und er lächelte Shaan an, als sie eintrat.
    »Er hat dich also gefunden«, sagte er. Er war gut aussehend, seine Haut von der Sonne dunkel gebräunt - was seine Zähne nur umso weißer leuchten ließ. »Ich bin beeindruckt. Normalerweise laufen die Frauen vor ihm davon.«

    »Mistkäfergesicht«, knurrte Tallis und drehte sich zu Shaan um. »Das ist Jared, mein Erdbruder.«
    »Bruder?« Sie sah ihn überrascht an.
    »Kein Blutsbruder«, erklärte Jared. »Wir sind Brüder unseres Clans. Wir haben die ersten Jagdrituale gemeinsam durchgeführt, zusammen unsere erste Beute ausbluten lassen, und das ist beinahe das Gleiche wie eine leibliche Verwandtschaft.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber dein Bruder bin ich nicht.« Er zwinkerte ihr zu. »Und wenn Tallis dein Zwilling ist, dann scheint es mir, dass du die ganze Schönheit abbekommen hast.«
    »Jared.« Tallis warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Warum versuchst du nicht, irgendetwas Essbares für uns aufzutreiben?«
    »Und wo sollte ich wohl fündig werden?«, entgegnete er.
    »Ich weiß es nicht.«
    »In der Küche«, sagte Shaan bedächtig. »Das ist das nächste Gebäude. Versuch es mit der kleinen Seitentür, die sollte unverschlossen sein.«
    Jared lächelte sie wieder an. »In Ordnung. Ich werde nicht lange weg sein.« Er ging und schloss leise die Tür hinter sich.
    Shaan setzte sich auf eines der Betten. »Dein Erdbruder hat eine Seidenzunge«, stellte sie fest, und Tallis lächelte etwas wehmütig.
    »Wenige Frauen im Clan konnten ihm widerstehen. Ich bin mir sicher, bei den Feuchtländern wird das nicht anders werden.«
    Er ließ sich auf dem Nachbarbett nieder, lehnte sich gegen die Wand, zog seine Knie an und stützte die Hände darauf. Im Schein der Lampe konnte sie den Schwung seiner Wangenknochen und seinen Nasenrücken betrachten, und alles wirkte wie eine größere, männliche Version ihrer selbst.
    »Du musst Folgendes wissen: Ich habe erst kurz bevor ich mein Land verließ, erfahren, dass ich eine Schwester habe«, erklärte er. »Doch als meine Mutter mir davon erzählte …« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht beschreiben, aber es hat so viel erklärt.« Er schaute sie an. »Und als ich dich sah … Ich kann dich hier drinnen spüren.« Er berührte seine Brust, und Shaan schluckte und schaute auf ihre Hände hinab. Sein Gesichtsausdruck war zu gefühlvoll.
Es schien nicht wirklich, nichts davon, und doch wusste sie, was er meinte.
    »Deshalb wusste ich auch, wo ich dich finden würde«, fuhr er fort. »Ich bin diesem Gefühl wie auf einem Pfad gefolgt. Es ist … seltsam.« Er stieß den Atem aus und schwieg einen Moment lang.
    Shaan kämpfte mit sich. Sie konnte nicht leugnen, dass sie das Gefühl hatte, diesen Mann zu kennen, ja ihn schon immer gekannt zu haben, aber zugleich war er ihr fremd. Sie sah ihn an, wollte ihn unablässig anstarren, um alle Einzelheiten seines Gesichts in sich aufzusaugen,

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