Der Herr Der Drachen: Roman
ihre Köpfe hinweg Richtung Westen geflogen war. Er erinnerte sich ganz deutlich daran; die kleinen, getupften Eier lagen warm in seiner Hand, während er zu dem lilagetönten Tier hinaufschaute, das hoch oben seine Bahn zog. Es hatte eine Angst in ihm erweckt, die ihm bis tief in die Knochen
gefahren war, und das Blut hatte in seinen Ohren gerauscht und sein Herz hämmern lassen. Als der Drache über sie hinweggeflogen war, hatte Tallis den Blick gesenkt und bemerkt, dass er die Eier in seiner Faust zerquetscht hatte. Noch jetzt hatte er den unangenehmen, öligen, moschusartigen Geruch in der Nase.
»Sie kommen näher.« Jared legte ihm eine Hand auf den Arm. Um sie herum wurden die anderen Jäger unruhig. Tallis spürte, wie das Gefühl vom Morgen, dass etwas nicht stimmte, zurückkehrte, und voller Verzweiflung wusste er plötzlich, was es zu bedeuten hatte. Er konnte die Tiere nun ganz deutlich erkennen: ihre langen Hälse und die riesigen Köpfe, die Häute, die das Licht verschlangen und die schwarz in der Sonne schimmerten, während die Drachen kreischend in ihre Richtung drehten.
»Was tun sie?«, murmelte Ferrin.
Die Angst hieb ihre Klauen in Tallis. »Sie greifen an«, sagte er und packte Jared am Arm, um ihn zurückzuziehen, aber die Tiere stießen bereits herab.
»Zu mir!«, befahl Haldane. »Bleibt zusammen und hebt eure Speere. Haltet sie bereit!«
Sie drängten sich eng aneinander und hoben die Speere wie einen klingenbesetzten Baldachin über ihre Köpfe.
»Achtung …« Wieder war Haldanes Stimme zu hören.
Das Strahlen der Sonne schien zu versiegen, und Tallis umklammerte seinen Speer, als die mächtigen Kreaturen zu ihnen herabschossen und den Himmel verdunkelten. Der Wind, den sie mit ihren Flügeln aufwirbelten, riss an den Speeren der Jäger, und ihre Körper glichen schwarzen Schlangen, die sich wanden und krümmten, während sie den Jägern entgegenzischten. Ihre Zähne waren Reihen von Schwertern in riesigen Mäulern, und allgegenwärtig war das Rasseln ihrer Stachelschwänze.
Neben Jared schrie dessen Schwester Irissa auf und stieß ihren Speer in die Luft. Tallis stimmte mit den anderen ein und stocherte mit seiner Waffe nach oben, während die Drachen nach ihnen schnappten. Hitze und Sand umwirbelten sie, und der Geruch nach uraltem Staub und Öl setzte ihnen zu.
Die Tiere flogen einen trägen Bogen. Sie waren groß genug, dass eines von ihnen die Gruppe hätte niedermähen können. Warum spielten sie mit ihnen? Zorn schwoll in Tallis an, und sein Körper wurde heiß vor blinder Wut, während er mit seinem Speer nach ihnen stieß, sie jedoch ein ums andere Mal verfehlte. Dann kam einer der Drachen noch näher. Er streckte eine Klaue aus und machte eine wischende Bewegung. Tallis’ Mutter schrie auf, als Haldane aus der Gruppe herausgegriffen und in die Luft gerissen wurde; sein Oberschenkel und sein Unterleib waren von einer rasiermesserscharfen Kralle durchbohrt. Er wurde fortgeschleift, und eine Blutspur folgte ihm durch den Sand.
Einen Augenblick lang sah Tallis voller Entsetzen zu, doch dann überwältigte ihn der Zorn. Mit einem Brüllen sprang er auf das Tier zu und zielte mit seinem Speer. Die Welt um ihn herum verschwand, und er sah nichts mehr als die Kreatur und seine glänzenden Augen. Auf eines davon zielte er, und seltsame Worte entrangen sich seinen Lippen. Sie klangen, als schabe Stahl über Stein, als zische Wasser im Feuer, und er sprach mit einer Stimme, die kaum seine eigene zu sein schien. Beide Drachen drehten urplötzlich ab, und einer von ihnen ließ Haldane zu Boden fallen. Einen Moment lang verharrten sie in der Luft, zischten und peitschten den Sand mit ihren Flügeln auf. Ein Schauder durchlief ihre Körper, sie wichen weiter und immer weiter zurück, und dann waren sie mit einem Schrei verschwunden und flogen Richtung Norden.
Die Jäger standen wie versteinert dort und schauten Tallis wortlos an. Ihre Speere hatten sie fallen gelassen. Mailun rannte mit einem Schluchzen zu Haldane und ließ sich neben ihm auf die Knie sinken. Tallis blinzelte, dann nahm die Welt um ihn herum wieder Gestalt an, und er sah sich orientierungslos um. Als sein Blick zu seinem Vater wanderte, sah er, wie dieser einen letzten Seufzer tat, ehe seine Augen trüb wurden, während er über den Sand hinweg, der sich unter ihm rot verfärbte, zu seinem Sohn starrte. Ein brüllendes Geräusch schwoll in Tallis’ Ohren an, sein Gesichtsfeld verschwamm, und der Erdboden unter
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