Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
«
    » Und wenn ich es nicht verstehe? «
    » Dann wird ein anderer Junge in diese Welt kommen.« Eine Weile blieb ich noch sitzen, den Kater an mich gedrückt. Irgendwann stand Len mit geröteten Augen vor mir. »Ich habe unsere Sachen gepackt, Senior.«
    »Gut«, sagte ich. »Und noch was: Du brauchst …«
    » Ich weiß«, unterbrach mich Len, »ich werde dich nicht mehr gern haben.«
    Der Pass der Siebzehn hieß schon lange so, schon seit der Zeit, als es noch eine Sonne am Himmel gab. Irgendwie hatte ich geglaubt, bei den Siebzehn handle es sich um Flügelträger, die am Pass gekämpft hatten, oder um Freiflieger, die von einem tapferen Helden getötet worden waren. Aber nichts dergleichen. Siebzehn Menschen waren über den Pass gezogen, voll beladen mit Waren zum Verkauf. Eine Lawine begrub sie unter sich, riss sie den Hang hinunter – und brachte sie damit direkt zum Ziel ihrer Reise! Alle siebzehn hatten überlebt! Zur Erinnerung an dieses Ereignis erhielt der Pass seinen Namen.
    Ich hörte Shokys Erzählung und zuckte nur mit den Schultern. Die Leute waren an ihr Ziel gekommen, was wollten sie mehr? Vom Hauptturm der Freiflieger trennte uns noch ein halber Tag.
    Zunächst aber stießen wir auf jenen Turm der Freiflieger, den Shoky unterwegs zerstören wollte. Ein kleiner, gedrungener Bau, der wie ein Fass aussah, stand dicht an einer Felswand, über die ein popeliger Wasserfall plätscherte. Die Stur m einheit der Flügelträger – fünfzig Teams hatte Shoky für den Angriff ausgesucht – schlichen sich en t lang des Hangs an den Turm heran. Weitere dreihundert Flügelträger-Teams und rund fünfhundert erwachsene Männer hielten sich auf A b stand. Insgesamt waren das nicht gerade viel. Selbst in der Verga n genheit galten tausend Soldaten noch nicht als Armee.
    »Was meinst du, sind da drin viele?«, erkundigte ich mich bei Sh o ky, der sich mit dem Angriffssignal Zeit ließ.
    Der Senior der Flügelträger schüttelte bloß den Kopf. »Das werden wir gleich erfahren«, meinte er schließlich. »Mehr als ein Dutzend dürften es nicht sein.«
    Doch da irrte Shoky sich.
    Als die Flügelträger losstürmten, hagelten uns aus den Schießscha r ten des Turms die Pfeile nur so um die Ohren. An der Turmspitze klappte eine Luke hoch, aus der schwarze Schatten heraussprangen und auf uns zugeflogen kamen. Zwei Dutzend Freiflieger und weitere Armbrustschützen feuerten fast ununterbrochen.
    »Die Wesen der Finsternis!« Shoky sprang auf und schaute erst mich, dann seinen Junior an. »Pass auf ihn auf!«, befahl er diesem.
    Shokys Junior war ein stämmiger, kräftiger Junge um die fünfzehn. Er nickte, ohne etwas zu sagen. Shoky stürmte zum Turm.
    »Würdest du lieber kämpfen?«, fragte ich den Jungen. Er gab mir keine Antwort. Offenbar mochte er mich nicht und seine Aufgabe ging ihm gewaltig gegen den Strich. Was war das auch, einen fremden Senior zu beschützen, der den Helden mimt, dabei aber jünger als man selbst ist! Obwohl mir diese Einstellung nicht gefiel, hielt ich den Mund. Denn den Schutz brauchte ich wirklich!
    Als ich nämlich beschlossen hatte, mich der kleinen Sturmeinheit anzuschließen, hatten das weder der Kater noch Shoky gutgeheißen. Beide fanden, ich solle mein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren und mein kostbares Leben nicht aufs Spiel setzen. Pah! Alles hatte damit geendet, dass der Kater und Shoky nachgaben, mir aber das Schwert des Tuak abnahmen – damit ich mich bloß nicht in die Schlacht stürzte. Ich hatte keinen Widerstand geleistet, denn ich wol l te ja gar nicht mitkämpfen, sondern nur mal allein sein. Um in Ruhe über alles nachzudenken – was ich nicht konnte, solange der Kater und Len in meiner Nähe waren.
    Die Flügelträger und die Freiflieger schlugen wie wild aufeinander ein. Um den Turm kreisten zwei Schwärme, anders konnte man das nicht nennen. Schon nach kürzester Zeit brachte ich es nicht mehr fertig, Freund und Feind zu unterscheiden, es gab nur noch funkelnde Schwerter, das Schlagen der Flügel, das zu einem einzigen Knattern verschmolz, sowie ab und zu einen Schrei, kurz bevor ein Opfer a b stürzte.
    Bei diesem Kampf waren wir in der Überzahl. Die Freiflieger wü r den alle sterben.
    Fast taten sie mir ein bisschen leid.
    Der alte Freiflieger fiel mir ein, der in seinem Turm gestorben war. Was spielt es schon für eine Rolle, wofür du kämpfst, hatte er gesagt. Und ich? Hätte ich nicht tatsächlich ebenso gut bei den Freifliegern landen

Weitere Kostenlose Bücher