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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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bachteten, wie die Flügelträger und die Erwachsenen über den Pfad zogen.
    Wir mussten über Berge kraxeln, über die kein Pfad mehr führte. O b wohl wir nur langsam vorwärtskamen, hetzte der Kater uns nicht. Wenn er nicht in Lens Armbeuge saß, krabbelte er ihm in den Au s schnitt und schlief dort, wobei er nur hin und wieder mal auftauchte, um uns den Weg zu weisen. Selbst als wir unser Nachtlager aufschl u gen, wich der Kater meinem Junior nicht von der Seite. Schließlich wurde es mir zu bunt, und ich fragte ihn, was das sollte.
    »Das ist meine Tarnung«, erklärte der Kater bereitwillig. »Mein Licht können die Freiflieger ohne Weiteres spüren, aber wenn ich in Lens Nähe bin, löscht er es.«
    »Und ich tu das nicht?«
    »Mit dir ist doch alles in Ordnung«, mischte sich Len plötzlich ein. Er streckte sich auf dem nackten Fels aus und wollte schlafen. »Um zu sehen, dass in deinen Augen ein Licht schimmert, muss man dir direkt gegenüberstehen … Aber dein Kater leuchtet meilenweit, wenn ich sein Licht nicht neutralisiere … «
    »Alles machst du dir zunutze, Kater«, sagte ich leise. »Selbst ein Unglück. Selbst den Kummer.«
    Der Kater ging scheinbar gar nicht auf meine Worte ein. »Viele Ja h re haben wir ehrlich und anständig gegen die Kräfte der Finsternis gekämpft. Haben niemanden getötet oder in den Tod geschickt und sind kein unnötiges Risiko eingegangen … Währen d dessen ist die Finsternis bloß erstarkt. Jetzt reicht es. Wir kämpfen ehrlich, doch wenn wir von einer Situation profitieren können, warum nicht?«
    »Vor allem, wenn man die entsprechende Situation so leicht herbe i führen kann. Willst du nicht lieber im Unterstand schlafen, Len?«
    »An den habe ich gar nicht gedacht«, antwortete Len leicht ve r blüfft. Er breitete die Arme aus, sein Flügeloverall blähte sich und verwandelte sich in ein Zelt.
    Damit waren der Kater und mein Junior verschwunden. Nun baute auch ich mein Zelt auf.
    In dieser Nacht hatte ich einen Traum, einen seltsamen Traum, in dem ich mit einem Freund sprach. Dabei hatte ich doch bisher nie e i nen Freund gehabt! Dieser erwachsene Freund hatte die Flügel eines Freifliegers. In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Aber das war auch nicht wichtig. Ich brauchte einen Rat, allein darauf kam es mir an, auf den Rat. Was sollte ich machen, wenn das Licht sich als schrecklicher herausstellte als die Finsternis? Mit wem sollte ich dann in den Kampf ziehen? Wie schaffte ich es, weder mich selber noch meine Freunde zu verraten? Ich erzählte ihm alles, was passiert war, als ob wirklich ein Gesprächspartner vor mir stünde, obwohl ich doch genau wusste, dass ich schlief und verzweifelt an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit entlangbalancierte. Ich brauchte einen Rat – von meinem Freund im Traum, von meinem zweiten Ich, vom Licht, von der Finsternis …
    »Versuchst du immer noch, Licht und Finsternis gegeneinander a b zuwägen?«, fragte derjenige, von dem ich träumte.
    »Ja.«
    »Das bringt nichts. Vergleiche nicht eine Wahrheit mit einer and e ren. Vergleiche die Menschen.«
    »Warum?«
    »Weil nicht der Glaube uns macht, sondern wir den Glauben. Käm p fe für diejenigen, die du liebst. Wenn du dabei auf der Seite des Lichts stehst, können diejenigen, die du liebst, stolz auf dich sein.«
    »Ja«, sagte ich, während ich aufwachte. »Jetzt habe ich es versta n den.«
    Wind wehte und schüttelte den Unterstand durch. Ich lauschte se i nem jämmerlichen Pfeifen, bis ich hörte, wie sich Lens Zelt zurüc k verwandelte. Daraufhin stand auch ich auf, streckte die Arme aus und der feste Stoff schrumpfte knatternd zusammen.
    Der Kater saß in Lens Armbeuge, sein Fell hatte sich vor Aufregung gesträubt.
    »Es wird Zeit.« Der Kater nickte mir mit einem misstrauischen Blick zu. »Bist du bereit?«
    »Ja. Du kannst stolz auf mich sein.«
    Der Kater verstand nicht, was ich meinte.
    »Wir brauchen uns nicht länger zu verstecken«, sagte er. »Die Fl ü gelträger und die Freiflieger kämpfen inzwischen auf Leben und Tod. Fliegen wir zum Turm!«
    »Und dort?«, fragte ich. Mir war wieder eingefallen, dass alle Fl ü gelträger gestorben waren, die den Turm am Pass der Siebzehn ang e griffen hatten. »Sollen wir uns etwa durch eine der Mauern graben? Oder landen wir oben auf der Plattform, wo uns alle sehen können?«
    »Wir werden schon reinkommen«, antwortete der Kater. »Dort gibt es viele Türen … für solche wie uns.«
    Wir

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