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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Sonnensteine gibt.«
    »Wozu?«
    »Sie bedeuten Kraft.«
    Erst da begriff ich, dass er tatsächlich nicht mit uns hinaufgehen würde, um den Herrn der Finsternis zu suchen.
    »Können wir denn ohne diese Kraft nicht gewinnen?«, wollte ich wissen.
    »Diese Kraft brauchen wir für etwas anderes.« Der Kater war ganz offenbar nicht in der Stimmung für Erklärungen. »Geht jetzt! Und hab keine Angst, Danka. Ich bin sicher, dass du deinen Wahren Feind e r kennen wirst … und dass das Wahre Schwert dir beisteht.«
    Eine Glaswand schien uns voneinander zu trennen. Ich protestierte nicht, nickte nur und meinte: »Die auf dem Weg nach oben grüßen dich, Kater.«
    Entweder verstand er die Anspielung wirklich nicht, oder er tat so, als ob. Jedenfalls stapfte er schnurstracks zu der Luke, aus der der Freiflieger gekommen war, und sprang in den dunklen Abgrund. S o fort wurde es im Raum schummriger.
    »Vielleicht sollten wir lieber warten, bis er wieder da ist?«, meinte Len mit einer Stimme, die ganz fremd klang.
    Ich sah ihn mir lange und aufmerksam an. Schließlich schob ich das Visier hoch. Zum Teufel mit diesem purpurroten Halbdunkel! Ich rang mich dazu durch, etwas zu tun, was ich mir geschworen hatte, nie wieder zu tun: Ich betrachtete Len mit dem Wahren Blick.
    Len verschmolz fast mit der Finsternis. Von dem, was meinen Junior einmal ausgemacht hatte, war nichts mehr übrig. In seinem Körper, der immer noch der Körper eines Menschen war, herrschten au s schließlich Dunkel, Finsternis und Nacht.
    »Len, dort in den Bergen kämpfen die Flügelträger in diesem M o ment gegen die Freiflieger«, sagte ich. »Sie lenken die Freiflieger von diesem Turm hier ab. Wenn wir jetzt zögern, werden alle unsere Freunde umgebracht.«
    Bildete ich mir das nur ein oder löste sich die Finsternis in Len wir k lich ein wenig auf?
    »Daran habe ich nicht gedacht … «
    »Halte durch, Len. Wir sind fast am Ziel.«
    Eine ganze Weile standen wir einander gegenüber. Ich hatte keine Angst mehr vor Len. Und er selbst schämte sich nicht mehr für das, was die Freiflieger mit ihm getan hatten.
    »Möchtest du vielleicht hier warten?«, fragte ich.
    »Das würde alles nur noch schlimmer machen.« Len wich meinem Blick aus.
    »Dann lass uns raufgehen.«
    Wir stiegen die Wendeltreppe weiter hinauf, dorthin, wo mein Wa h rer Feind auf mich wartete. Noch immer hatte ich nicht die geringste Ahnung, wer es war: Der Herr der Finsternis oder … jemand ganz a n deres.
    Und das Wahre Schwert hing schwer in der Scheide und machte keine Anstalten, sich wieder zu dematerialisieren. Die Leiter führte uns aufwärts durch die steinerne Röhre des Turms, dem Kampf entg e gen, der vielleicht unser letzter sein würde.
    Es war ein sehr langer Weg.
    Nachdem wir gut fünfzig Meter hochgeklettert waren, mussten wir wohl oder übel anhalten. Die Erschöpfung verlangte ihren Tribut. N a türlich hätten wir uns Kraft von den Flügeln holen können, aber dann hätten wir keine Reserve mehr für den Kampf gehabt.
    Wir standen beide auf einer Stufe, Len lehnte mit dem Rücken an der Wand, ich am Geländer. Der runde Schacht war breit genug, um hinunterzufallen, aber zu schmal, um die Flügel zu spreizen. Da uns e re Knie aneinanderstießen, spürte ich, wie Lens Beine zitterten.
    Meine natürlich auch.
    »Ich habe Angst, Danka«, gab Len plötzlich zu.
    »Vor dem Herrn der Finsternis?«
    »Äh … ja klar … vor dem auch.«
    Entlang der Wendeltreppe gab es kaum Fackeln und Len konnte mich vermutlich selbst mit dem Visier nur schlecht erkennen. Dafür sah ich, wie sein Gesicht kreidebleich wurde.
    »Wenn etwas passiert, Danka, denk an den Schlüssel. Er zerstört nicht nur die Flügel, sondern auch denjenigen, der sie trägt.«
    »Hör auf!«, schrie ich, wobei ich für einen Moment vergaß, dass wir uns in Acht nehmen mussten. »Red nicht so einen Scheiß!«
    »Ja, vielleicht rede ich Scheiß, aber du sollst trotzdem an den Schlüssel denken«, verlangte Len hartnäckig. »Und außerdem … Ich wollte dir noch sagen, dass du der beste Freund bist, den man haben kann. Danke, für alles.«
    Was ich darauf antworten sollte, wusste ich nicht.
    »Und noch was, selbst wenn das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist«, fuhr Len fort, »nur falls … ich es nachher vergesse. Freunde hat man nie für lange. Freunde sterben entweder oder verraten dich. Aber als du aufgetaucht bist, da habe ich geglaubt, diesmal ist alles anders. Nur hatte ich dann leider ziemlich

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