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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ist der Turm der Finsternis«, erklärte Len. »Viele Städte haben schon versucht, ihn zu zerstören, aber bisher ist es niemandem gelu n gen. Dort lebt der Herr der Finsternis, er ist der Gebieter der Freifli e ger.«
    »Das habe ich mir durchaus selbst zusammengereimt«, grummelte der Kater. »Wie kommt es nur, dass ihr dieses Leben führt, Junge?«
    »Das weiß ich nicht. Es gibt verschiedene Gerüchte: dass die Fre i flieger uns angegriffen und die Finsternis mitgebracht haben, aber auch, dass wir selbst an allem schuld seien … Ich weiß es einfach nicht.«
    »Dann werden wir diesen Alten fragen, der sich noch an die Sonne erinnert«, entschied der Kater. »Er muss die Wahrheit kennen. Aber diese Wesen der Finsternis, sind das Einheimische oder stammen sie aus einer anderen Welt?«
    »Die gehören nicht zu uns«, antwortete Len. »Sie sind zusammen mit der Finsternis gekommen. Wenn wir von den Händlern nicht das Geheimnis der Flügel gekauft hätten, dann hätten die Freiflieger uns längst besiegt.«
    »Aber für Erwachsene gibt es keine Flügel?«
    »Nein.«
    »Und wer regiert euch?«, fragte der Kater.
    »Niemand.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch. Wir Flügelträger haben unsere eigenen Gesetze, und alle achten darauf, dass sie eingehalten werden. Für die Frauen und Mä d chen gelten andere Gesetze. Und für die Männer auch. Und in die A n gelegenheiten der anderen mischen wir uns nie ein.«
    »Ihr Flügelträger verteidigt also alle gegen die Freiflieger«, sagte der Kater. »Aber was ist, wenn einer von den älteren Flügelträgern ein Mädchen entführt, das ihm gefällt? Was können die Frauen dann m a chen?«
    »Dann verweigern sie uns die Flügel. Nur die Frauen können sie herstellen. Ein Flügelpaar hält ein, zwei Monate, länger nicht. Und von den erwachsenen Männern hängt ab, ob uns die Händler mit L e bensmitteln beliefern oder nicht.«
    »Was für ein paradiesisches Leben, voller Liebe und Freundschaft«, höhnte der Kater, und in seiner Wut fing er an, sich zu putzen. »Die Anarchie … ist ja bekanntlich die Mutter der Ordnung.«
    Er brummelte noch etwas, erinnerte sich an verschiedene Revoluti o näre, doch seine Worte galten ganz klar nicht mehr uns. Mir persö n lich war schleierhaft, was am Leben der Flügelträger schlecht sein sollte.
    Len starrte mich an. »Sag mal, Danka, habt ihr etwa keine Flügel?«, fragte er.
    »Früher hatten wir keine«, sagte ich ausweichend. »Aber jetzt haben wir Flugzeuge und Hubschrauber.«
    »Dann kannst du also gar nicht fliegen?«
    »Nein.«
    »Aber wir müssen morgen Patrouille fliegen! Wenn die anderen rauskriegen, dass du gar kein Senior bist … und du bist kein Senior … dann werden wir bestraft.«
    »Lügner werden mit dem Schwert getötet«, wiederholte ich seine Worte. »Aber du hast damit doch nichts zu tun, Len! Ich habe dich ja auch angeschwindelt.«
    »Natürlich bin ich auch schuld! Ich wollte ja unbedingt, dass du ein Senior bist … « Len ließ sich auf mein Bett plumpsen und fing an, an seinen Nägeln zu knabbern.
    »Hör auf, an den Nägeln zu kauen!«, befahl der Kater, ohne sich auch nur zu ihm umzudrehen. »Davon abgesehen spielen eure Fehler jetzt, da ihr Partner auf Leben und Tod seid, nicht mehr die geringste Rolle. Du, Len, bist der Junior in eurem Team. Danka ist dein Senior. Muss ich dich daran erinnern, wie sich Partner zu verhalten haben?«
    »Nein«, sagte Len murrend.
    Mir war klar, dass der Kater sich Sorgen um mich machte. Auße r dem verfolgten mich die Bilder aus meinem Traum, in dem Len mit dem Schwert vor mir gestanden hatte. Als ich dann aber zu Len hi n übersah, zu diesem verstrubbelten, mageren Jungen, der so bleich war, dass er schon bläulich wirkte, schämte ich mich. Gleichzeitig packte mich Mitleid.
    Wenn ein Junge wie er in unserer Klasse aufgetaucht wäre, hätten ihn alle fertiggemacht. Denn wehren konnte er sich garantiert nicht. Vermutlich wäre ich nicht besser gewesen als die anderen. Doch j e mandem einen Kaugummi zu klauen, ihm eine zu knallen oder seinen Kopf in den Schnee zu tauchen, ist eine Sache. Eine ganz andere ist es, wenn es um Leben und Tod geht. Ich konnte mir das nicht vorste l len. Trotzdem wollte ich diese Dinge lieber nicht auf die leichte Schu l ter nehmen.
    Len hatte mir das Leben gerettet. Er hatte für mich gebürgt. Was spielte es da für eine Rolle, weshalb er das getan hatte? Die Motive stehen auf einem Blatt, die Taten auf einem anderen.
    »Ich könnte abhauen,

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