Der Herr der Finsternis
stand ich da und starrte in die Leere. Als etwas meine nackten Füße berührte, verlor ich die Kontrolle über mich und schrie los.
»Danka … «
Vor mir saß der Sonnenkater. Aber wie er aussah! Ich erkannte ihn kaum wieder, so hatte er sich verändert. Das Fell leuchtete kein bis s chen mehr, sondern war einfach rot. Die Augen blickten stumpf und er war mager wie der allererbärmlichste Straßenkater. Ich bückte mich und nahm ihn auf den Arm.
»Du dummer Junge«, flüsterte der Kater. »Immerhin bist du so klug gewesen, für dich eine anständige Unterkunft zu fi n den … «
»Was ist mit dir?«, presste ich mit Mühe heraus. »Was ist denn los?«
»Hier gibt es keinen Tag, Danka«, fuhr der Kater fort, ohne auf mich einzugehen. »Hier gibt es nirgendwo Wahres Licht. Ich kann dich nicht nach Hause zurückbringen.«
»Das weiß ich doch. Aber … was ist denn mit dir?«
»Ich sterbe«, verkündete der Kater mit überraschendem und una n gemessenem Stolz. »Hier gibt es kein Wahres Licht. Ist dir klar, was das heißt? Ich werde verhungern.«
Ich drückte ihn gegen meine Brust, setzte mich auf den Fußboden und fing an zu weinen. Was konnte ich tun? Wo fand ich Wahres Licht? Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich Len, der auf me i nen Schrei hin in den Flur gestürmt war und uns verblüfft anstarrte. Ich hörte, wie erschöpft der Kater hechelte, wie meine Tränen auf den Boden tropften, wie Len auf dem kalten Boden von einem Fuß auf den anderen trat.
Wo fand ich Wahres Licht, um meinen Freund zu retten? Plötzlich drehte sich der Kater mühevoll um. »Danka, ich werde doch nicht sterben«, teilte er mit einer Stimme mit, die zumindest etwas kräftiger klang.
Len wich entsetzt zurück. Ich achtete nicht auf ihn. Ich presste den Kater nur fester an mich. »Wirklich nicht?«, fragte ich. »Schwindelst du mich auch nicht an?«
»Wirklich nicht. Ich bin noch dümmer als du, Danka, denn eine S a che hatte ich völlig vergessen. Die Liebe ist ebenfalls eine Form des Wahren Lichts. Solange du mich liebst, werde ich nicht sterben. Das ist die Wahrheit.«
Ich lachte unter Tränen und blickte zu Len hoch. Der beäugte ängs t lich den Kater.
»Du brauchst keine Angst zu haben, das ist bloß ein Sonnenkater. Er ist mein Freund«, erklärte ich.
Len nickte unsicher.
»Kater, das ist Len. Er ist jetzt mein Junior, mein Partner.« Der K a ter befreite sich sanft aus meinen Händen und sprang zu Boden. Voller Freude bemerkte ich, dass sein Fell bereits wieder schwach leuchtete.
»Das weiß ich doch! Vergiss nicht, dass ich ein Zauberer bin. Hallo, Len!«
»Hallo«, hauchte Len.
»Hast du jetzt genug gegessen?«, wollte ich vom Kater wissen.
»Dummkopf!«, kanzelte er mich in gewohntem Ton ab. »An der Liebe kannst du dich nie überfressen. Und deine Liebe hat mir imme r hin das Leben gerettet.«
Allem Anschein nach war ihm die Schwäche, unter der er gelitten hatte, peinlich. Ich wurde selbst ganz verlegen.
»Da kann ich … also, ich habe … «, durchbrach Len die Stille. »Wa r tet, ich bin gleich wieder da!«
Verständnislos sahen der Kater und ich uns an.
»Was hat er denn? Hat er etwa ein Pfund Wahres Licht im Schrank versteckt?«, fragte der Kater verwundert.
Ich zuckte bloß die Achseln. Len kam jedoch schon zurück, mit e t was, das er vor die Brust gepresst hielt. Als mir klar wurde, weshalb er davongestürzt war, hätte ich beinahe laut losgelacht.
Vorsichtig stellte Len eine tiefe Schüssel vor den Kater hin, in die er etwas aus einer Tonkanne goss.
»Hier, bitte. Das ist Sahne. Gute Sahne.«
Der Kater taxierte Len mit einem verächtlichen Blick, bevor er sich mir zuwandte. »Sind hier alle so … fürsorglich? Nein, was für ein br a ver Junge!«
»Pass auf«, zischte ich, »beleidige ihn nicht! Woher soll er wissen, dass du keine Sahne trinkst? Tu so, als ob es dir schmeckt!«
Der Kater linste zu Len hinüber, der vor Freude strahlte, und sto l zierte seufzend an die Schale heran. »Muss ich das wirklich ausschl e cken?«, fragte er, wobei er aus den Augenwinkeln zu mir hochblickte.
Ich nickte aufmunternd.
»Und die ist auch nicht sauer?«
»Die ist ganz frisch!«, verkündete Len.
Daraufhin machte sich der Kater mit dem Gehabe eines Märtyrers daran, die Schüssel auszulecken. Anfangs langsam, dann immer schneller und schneller. Seine Zunge huschte nur so über die rasant abnehmende Sahne dahin. Auf mich machte das durchaus nicht den Eindruck, als würde er sich aus
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