Der Herr der Finsternis
lautlos.
»Ich verstehe kein Wort von alldem«, sagte Gert kopfschüttelnd. »Dem Jungen sind die Augen ausgestochen worden. Für ihn gab es keine Hilfe mehr. Den Stein habe ich nur hervorgeholt, um nichts u n versucht zu lassen … Sind Sie ein Zauberer?«
»Mit Staunen stelle ich fest, dass Sie glauben, einfache Katzen d u zen zu können!«, empörte sich der Kater. »Während Sie Zauberern gegenüber eine gewisse Höflichkeit walten lassen! Doch das können Sie sich jetzt auch sparen! Darauf kann ich verzichten!«
»Hör mal, ich habe dir das Teuerste gegeben, was ich besaß«, b e merkte Gert ernst.
»Verzeihen Sie«, sagte der Kater sofort. »Das ist mir durchaus b e wusst. Aber schließlich bin ich noch klein, da lassen meine Manieren mitunter zu wünschen übrig.«
Gert streckte die Hand aus und nahm den Kater auf den Schoß. Ve r legen, wie dieser war, leistete er keinen Widerstand.
»Aber schnurren werde ich nicht, bilden Sie sich das ja nicht ein«, brummte der Kater. »Oder sind wir jetzt doch per du?«
»Gern.«
Nun wandte sich der Kater an mich: »Spazier ein wenig durchs Zimmer, Danka, und sieh dich um. Überzeuge dich, dass alles in Or d nung ist, solange ich noch genug Kraft habe, eventuelle Fehler zu ko r rigieren.«
Ich stand auf und zog mich an – Len brachte mir Sachen, genau das, was er auch trug: Shorts und ein T-Shirt –, dann wanderte ich durchs Zimmer. Kein Grund zur Klage. Ich sah genauso gut wie früher, s o gar …
Sogar besser. Als mein Blick auf den Kleiderschrank in einer Ecke des Zimmers fiel, wusste ich genau, was in ihm war. Obwohl die Tür geschlossen war!
»Gert, in deinem Schrank hängen zwei Anzüge, viele Frauenkleider, rund zehn Hemden von dir, Flügel für einen Senior und ein paar Kr a watten. Stimmt ’ s?«
»Mach die Tür wieder zu, du nichtsnutziger Bengel«, verlangte Gert, ohne sich umzudrehen. Len, der sah, dass ich sie gar nicht aufgemacht hatte, klimperte mit den Augen.
»Ich kann durch Türen hindurchsehen«, sagte ich.
Der Kater machte einen Buckel und sträubte das Fell. »Genau das habe ich befürchtet«, erklärte er besorgt. »Offenbar war meine B e handlung zu viel des Guten … Stört es dich sehr, Danka?«
»Überhaupt nicht«, versicherte ich ihm. »Im Gegenteil! Du kriegst übrigens Besuch, Gert, von einer älteren Dame in einem blauen Kleid.«
»Das ist meine holde Gattin«, stöhnte Gert mit einer Stimme, als w ä re er zum Tode verurteilt. »Machen wir uns auf was gefasst!« Ihn schien diese Neuigkeit viel stärker zu beeindrucken als meine fantast i schen Fähigkeiten. »Ich habe ihr hoch und heilig versprochen, den Boden zu wischen … O Licht, steh mir bei! Das habe ich völlig ve r gessen!«
Ich stellte mir vor, wie dieser alte Herr die Ärmel hochkrempelte und mit dem Wischlappen über den Boden kroch, und musste unwil l kürlich kichern. Len fing ebenfalls an zu lachen, aber ich glaube mehr aus Solidarität. Nur der Kater machte eine bekümmerte Miene. »Kannst du auch durch diese Wände sehen, Danka? Die sind imme r hin aus Stein!«
»Durch Steinwände kann ich nicht sehen«, informierte ich ihn. » A ber durch Fensterläden aus Holz und durch Vorhänge ganz proble m los!«
»Und wie fühlst du dich?«
»Wie neugeboren!«, rief ich und hüpfte zum Beweis herum. Genau in dem Moment betrat die ältere Dame das Haus.
Zunächst schüttelte sie bloß den Kopf. Dann runzelte sie die Stirn, sah mich an und versuchte, sich einen Reim auf mein Verhalten zu machen.
»Ich habe es noch nicht geschafft, aufzuräumen, Keja, die Ereignisse haben sich überschlagen«, ratterte Gert los. Das war schon komisch – ein erwachsener, ja, sogar schon ein alter Mann, der sich wie ein kle i ner Junge rechtfertigte!
»Ich habe gehört, dass du dich um den Jungen kümmerst, der g e blendet worden ist, Gert«, brachte die Dame zögernd hervor. »Aber das … das gibt ’ s doch nicht … kannst du etwa sehen?«
»Ja«, gab ich zu.
»Gert!« Keja strahlte und fuchtelte wild mit den Händen. »Hat Sh o ky also doch einen Ausweg gefunden?«
Keiner sagte ein Wort.
»Ich wusste doch, dass unser Enkel zu so etwas nicht imstande ist«, meinte Keja erleichtert. »Und ich törichte alte Frau habe an ihm g e zweifelt!«
»Dieser Sicht der Dinge sollten wir uns anschließen«, sagt der Kater nachdenklich. »Schlecht ist die Version ja wahrlich nicht.«
»Du kannst sprechen?«, fragte die Dame erstaunt.
»Mit einer so herzensguten Frau würde selbst ein
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