Der Herr der Finsternis
kleines graues Mäuslein sprechen«, antwortete der Kater galant.
Dieses Katzenkompliment schien Keja ihre Fassung wiederzugeben. Sie schüttelte den Kopf, trat an den Kater heran und beäugte erst ihn, dann Len misstrauisch.
»Er ist kein Bauchredner«, erklärte der Kater.
»Bestimmt nicht«, beteuerte Len.
»Nun gut.« Die Dame hatte jetzt wieder voll die Kontrolle über sich. »Du bist der Junior im Team, stimmt ’ s? Folglich kannst du Kartoffeln schälen. Komm mit!«
Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte Len am Ärmel hinter sich hergezogen.
»So nennt sie das immer: Kartoffeln schälen«, teilte Gert uns mit, während er es sich in einem weichen Sessel am Kamin gemütlich machte. »Vermutlich muss er Kuchenteig kneten … Wenn mit dir alles in Ordnung ist, Danka, könntest du mir dann meine Pfeife und den Tabaksbeutel geben? Liegt alles auf dem Tisch.«
»Das sehe ich doch«, erklärte ich glücklich.
Während Gert seine Pfeife stopfte, behielt er den Kater und mich im Auge. Der Sonnenkater lag vor ihm auf dem Boden. Ohne lang zu überlegen, hockte ich mich neben ihn.
»Was wollt ihr wissen?«, fragte Gert.
»Wie es dazu kam, dass ihr die Sonne verloren habt«, sagte der K a ter entschieden. »Erzählst du uns das?«
»Das ist mit einem Wort gesagt«, antwortete Gert und seine Miene verfinsterte sich. »Wir haben sie verkauft.«
»Wie bitte?«, schrie ich auf.
»Wir haben sie verkauft«, wiederholte Gert. »Jeder ein Stückchen und alle zusammen. Als die Händler das erste Mal zu uns gekommen sind, brachten sie eine Unmenge erstaunlicher Dinge mit … « Gert seufzte. »Wir hatten jedoch nur wenig, was sie gebrauchen können. Weizen, Obst und Schwerter – all das hat sie nicht interessiert. Wir haben ein einfaches Leben geführt, aber wir wollten so gern ein sch ö nes Leben haben. Ich war damals in deinem Alter, Danka. Noch heute erinnere ich mich, wie sehnsüchtig meine Mutter den Schmuck und die Stoffe betrachtete, die nie zuvor jemand von uns gesehen ha t te. Mein Vater hatte sich in ein Schwert verliebt, das durch Stein und Eisen wie durch Butter ging. Er war Soldat.«
Gert zündete die Pfeife an und stieß eine Rauchwolke aus.
»Eines Tages kam meine Mutter von den Händlern mit allem z u rück, was ihr Herz begehrte«, fuhr er dann fort. »Sie hatte jenen Teil der Sonne verkauft, der für sie schien. Danach lief sie immer im Hal b dunkel, herum, denn das Dämmerlicht hüllte sie ein. Aber das störte sie überhaupt nicht. Selbst mich schreckte das damals nicht. Am Himmel war ja lediglich eine kleine graue Wolke aufgezogen – aber sie sollte meine Mutter für immer von der Sonne trennen. Dann bild e ten sich immer mehr Wolken. Dafür brannten in unseren Häusern he l le Lampen, im Bad gab es warmes Wasser, wir besaßen gute Waffen, unser Essen war abwechslungsreich und schmackhaft wie nie zuvor. Jemand verlangte von den Händlern, dass sie ihn sein Leben lang mit Essen versorgten, und das machten sie dann auch anstandslos. Alles war so einfach: Wir brauchten bloß ein wenig Licht zu verkaufen, danach konnten wir ein sattes und geruhsames Leben führen. Wie graue Schatten streiften die Menschen durch die Straßen, die letzten Lichtflecke huschten an ihnen vorbei und versuchten, der Finsternis zu entkommen. Denn nicht alle hatten sich durch gutes Essen und schöne Kleidung verführen lassen. Doch irgendwann fand sich selbst für die Störrischsten unter uns eine Ware. Dann verkauften auch sie ihr Licht. Für gute Bücher, von deren Lektüre sie immer geträumt hatten, für schöne Worte, die sie nun sagen konnten, für neue Lieder, die zu h ö ren Freude bereitete.
Viele verkauften auch das Licht ihrer kleinen Kinder. Die konnten ja nicht dagegen protestieren. Den Himmel überzog inzwischen ein grauer Nebel, der sich immer seltener auflöste. An den dunkelsten Stellen entstanden die Türme, in denen die Freiflieger wohnen. Sie griffen uns an und entführten Menschen, die dann ebenfalls zu Fre i fliegern wurden. Daraufhin erbaten wir von den Händlern das G e heimnis der Flügel, doch wir hatten kein Licht mehr, mit dem wir sie hätten bezahlen können. Dabei mussten wir uns doch wehren! Sie b o ten an, unsere stärksten Männer als Bezahlung zu akzeptieren. Uns blieb keine andere Wahl. Die Flügel, die unsere Frauen dann herstel l ten, trugen jedoch nur Kinder, für Erwachsene waren sie zu schwach. Das war das Ende der Geschichte. Als irgendwann alle ihr Licht ve r kauft hatten,
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