Der Herr der Finsternis
hing nur noch dichte Düsternis über uns. Die Jugendl i chen wurden in Junioren und Senioren aufgeteilt und schützen seitdem die Stadt vor den Freifliegern. Die Erwachsenen heuern bei den Hän d lern an, um ihre Familien zu ernähren. Nur wenige … « Gert lächelte traurig. » … werden in unseren Städten alt. Aber das ist das Leben, an das wir uns gewöhnt haben.«
»Ihr habt also das Licht verkauft und eure Sonne hat aufgehört zu scheinen«, sagte der Kater voller Hohn. »Die Sonne scheint für alle Menschen – aber natürlich nicht, wenn sie die Finsternis wählen … « Fauchend machte er sich daran, sich zu putzen. Das machte er offe n bar immer, wenn er wütend war.
»Gibt es für sie denn gar keine Hoffnung mehr, Sonnenkater?«, fra g te ich im Flüsterton. »Kommt das Licht nie mehr zurück? Wenn sie sich bessern, versprechen … «
»Das haben wir bereits versucht«, sagte Gert und seufzte. »Wir h a ben die Sonne um Verzeihung gebeten, wir haben die Freiflieger get ö tet, wir haben Lagerfeuer entzündet, um die Düsterkeit zu vertre i ben … Die Händler haben wir gebeten, uns unser Licht zurückzuve r kaufen. Sie haben jedoch geantwortet, das Licht sei bereits weiterve r kauft und der Käufer habe nicht die Absicht, es zurückzuverkaufen.«
»Und dieser Käufer, das ist der Herr der Finsternis?«, schlussfolge r te der Kater.
»Das nehmen wir zumindest an«, sagte Gert.
Nun fing der Kater an, nervös im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich habe seinen Turm gesehen«, erklärte er schließlich. »Dort herrscht völlige Finsternis. Es sei denn … Die Keller … «
»Was werden wir jetzt tun?«, unterbrach ich ihn.
»Diese Entscheidung musst du selbst treffen«, meinte der Kater, während er zu mir herüberschielte. »Ich verfüge jetzt über ein klein wenig Kraft. Damit könnte ich die Tür für dich wohl öffnen.«
»Wirklich?« Ich sprang auf. »Kehren wir nach Hause zurück?«
»Ich bringe dich nach Hause«, versprach der Kater.
»Und du?«
»Sonnenkater überlassen eine Welt ohne Sonne nicht ihrem Schic k sal.«
»Und ich überlasse meine Freunde nicht ihrem Schicksal!«, fuhr ich ihn wütend an. »Aber nachher, wenn wir gewonnen haben, kannst du mich dann nach Hause bringen?«
»Selbstverständlich.«
Gert beobachtete uns nachdenklich und vergaß darüber ganz seine Pfeife, die langsam ausging. »Wenn ich euch richtig verstanden h a be«, sagte er, »gibt es dort, wo ihr herkommt, Wahres Licht?«
»Mehr als genug!«, antwortete der Kater stolz. »Dort hat man es noch nicht verkauft! Hoffe ich zumindest.«
»Und ihr wollt uns helfen?«
»Wir werden es versuchen«, sagte der Kater und tat bescheiden. »Ich bringe das eine oder andere fertig – und auch unser Danka ist nicht der dümmste Junge der Welt.«
In diesem Moment kam Len aus der Küche zurück. Er war über und über mit Mehl bestäubt, versuchte, finster dreinzublicken, wirkte aber eigentlich ganz zufrieden.
»Ich habe mir ein Extrastück Kuchen verdient«, verkündete er stolz, während er sich an den Tisch setzte. »Oder gibt es da Einwände?«
Wir waren alle einverstanden. Vor allem weil der Kuchen, den er zusammen mit Keja gebacken hatte, riesig und extrem lecker und mit Erdbeermarmelade gefüllt war. Die Stücke zählten wir nicht. Als j e doch nur noch eines übrig war, wickelte Keja es vorsichtig in Papier ein und legte es beiseite.
»Das ist … für unseren Enkel«, erklärte Gert mit einem verlegenen Blick auf mich. »Danka, du wirst dich doch nicht rächen, oder? Das tust du doch nicht?«
Ich schwieg. Sie warteten beide auf meine Antwort, Gert und Keja, denn Len hatte ihr inzwischen erzählt, was sich eigentlich abgespielt hatte.
»Damit warte ich, bis wir erwachsen sind«, versprach ich. »Dann werde ich ihm allerdings die Fresse polieren … bei der erstbesten G e legenheit.«
Der Kater blickte mich streng an.
»Natürlich nur, wenn er sich nicht vorher bei mir entschuldigt«, fü g te ich widerwillig hinzu.
Gert streckte die Hand aus und verwuschelte mir das Haar. »Du bist ein guter Junge, Danka«, sagte er zärtlich. »Was auch immer passiert, dir kann die Finsternis nichts anhaben.«
Das Kompliment machte mich verlegen, sodass ich Len zum Au f bruch drängte. Vor der Tür hielt Gert mich zurück und gab mir ein schmales, schwarzes Band.
»Die Flügelträger sollten deine Augen nicht sehen«, erklärte er. »Sonst kommen sie vielleicht auf die Idee, die Strafe noch einmal an dir zu vollziehen.
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