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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ich.
    Ich wusste nicht, warum ich es tat, aber plötzlich schaute ich ihn mit dem Wahren Blick an. Lens Gesicht zitterte, zerfloss und veränderte sich. Nun stand er so vor mir, wie er wirklich war. In dem Moment schämte ich mich ein bisschen für meine Fähigkeit. Eines wusste ich jedoch ganz genau: Niemals würde ich jemandem erzählen, was ich gesehen hatte. Um keinen Preis der Welt.
    Dann sprach ich die Worte aus, die jetzt genau die richtigen waren: »Du kannst mir ruhig eine verpassen, Len, weil ich dich erschreckt habe. Aber lass uns trotzdem um die Wette fliegen.«
    »Du gewinnst doch sowieso«, meinte Len traurig.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte ich aufmunternd.
    »Abgemacht«, antwortete Len, plötzlich hellauf begeistert. »Ja, jetzt zeig mal, was du kannst! Eben bin ich nämlich nicht mit voller Kraft geflogen!«
    Wir standen in der Mitte der engen Schlucht, durch die auch die Händler mussten. Gerade als wir aufsteigen wollten, packte Len mich am Arm. »Pst!«
    Als ich genauer hinhörte, machte ich ein leises Klackern und Sche p pern aus. Die Geräusche kamen näher.
    »Die Karawane!«, meinte Len. »Wir haben Glück! Von oben hätten wir sie nicht so einfach ausgemacht, denn die Händler tarnen sich normalerweise.«
    »Um vor den Freifliegern sicher zu sein?«
    »Um vor egal wem sicher zu sein.«
    Als Erster tauchte ein großer Mann hinter einer Biegung auf. Seine braun gefleckte Kluft hatte genau die Farbe der Felsen. Um keine böse Überraschung zu erleben, behielt ich ihn im Auge.
    »Das sind die Wachen der Karawane«, beruhigte mich Len. »Ha l lo!«
    Die Hand am Schwert, kam der Begleitsoldat auf uns zu. Drei weit e re Männer erschienen auf der Bildfläche, ihnen folgten einige riesige Tiere, die an Büffel erinnerten und schwer bepackt waren.
    »Hallo ihr zwei Junioren«, meinte einer der Männer mit einem Hauch von Freundlichkeit in der Stimme. »Warum seid ihr allein?«
    »Ich bin der Senior in unserem Team«, klärte ich ihn auf. »Wann werdet ihr die Stadt erreichen?«
    Erstaunt sah der Mann mich an. »Woher sollen wir das wissen?«, meinte er kopfschüttelnd. »Wir sind schließlich bloß der Beglei t schutz … zu dem auch du eines Tages gehören wirst, falls du nicht vorher stirbst. Erkundige dich bei den Händlern danach.«
    Sofort verlor der Soldat jedes Interesse an uns und marschierte we i ter. Seine drei Gefährten umrundeten uns, ohne ein Wort zu sagen, und folgten ihm.
    »Sie halten sich für etwas Besseres als die normalen Städter«, zisc h te Len. »Dabei sind sie nur Sklaven der Karawane! Schau, dort sind die Händler!«
    Die Karawane war sehr groß, bestimmt an die hundert Lasttiere, ein Dutzend Soldaten, aber nur drei Händler. Zu meiner Verwunderung erkannte ich auf Anhieb, dass es sich dabei um eine Familie handelte, einen Mann und eine Frau, beide in den Dreißigern, und ein rotblo n des, braun gebranntes Mädchen, das ein oder zwei Jahre älter war als ich.
    Oh, Wahnsinn! Ich blickte zu Len hinüber, aber der stutzte übe r haupt nicht angesichts der Sonnenbräune des Mädchens. Gut, dann würde ich es eben allein rauskriegen, wo sie so braun geworden war. Eine Brille trugen die drei übrigens auch nicht! Wie konnten sie da sehen?
    »Hallo!«, rief Len, der sich alle Mühe gab, stolz und wichtig ausz u sehen. »Gab es unterwegs irgendwelche Zwischenfälle? Haben die Freiflieger euch Ärger gemacht?«
    »Wir liegen mit niemandem im Krieg, mein Junge. Selbst mit den Freifliegern nicht.« Der Händler löste sich von den gemütlich trotte n den Lasttieren, kam zu uns rüber und schlenderte mit uns weiter. »Was ist mit eurer Stadt? Nimmt sie am Krieg teil?«
    Len nickte. Das Gespräch mit dem Händler machte ihm Spaß. Ich lief einfach neben den beiden her und musterte die kleine Kaufmann s familie genau.
    Sie alle hatten dunkle Haut, eindeutig von der Sonne. Bei dem Mä d chen pellte sich sogar die Nasenspitze, sie musste sich einen Sonne n brand eingefangen haben! Alle trugen ordentliche Sachen, Hosen, die irgendwie an Jeans erinnerten, und knallige Pullover. Das Mädchen und seine Mutter hatten Strickmützen auf, was auch logisch war, denn in den Bergen war es kalt – und an Kälte waren sie nicht gewöhnt, daran bestand gar kein Zweifel. Nur der Mann war bewaffnet, mit einem kurzen Schwert. Anscheinend vertrauten die Händler voll und ganz auf die Soldaten, oder sie mussten noch Waffen dabeihaben, die effektiver als Hieb- und Stichwaffen waren.
    Mir

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