Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
gefielen diese Leute nicht! Schon auf den ersten Blick nicht! Vor allem das Mädchen nicht, das grinsend zu Len hinüberschaute und immer wieder mit seiner Mutter sprach, worauf beide jedes Mal gegen einen Lachkrampf ankämpften. Im Vergleich zu den Soldaten in den braunen Tarnanzügen und zu Len und mir mit unseren schwa r zen Flügeloveralls sahen die drei wie blöde, reiche Touristen aus, die sich in ein Kriegsgebiet verirrt hatten.
    »Möchtest du ein Bonbon?«, fragte der Händler Len. Der nickte he f tig. Daraufhin kramte der Händler ein in Papier eingewickeltes Bo n bon aus seiner Tasche, das er Len zuwarf, obwohl zwischen ihnen nicht mehr als ein Meter lag. Len sprang vor und fing das Bonbon auf.
    »Willst du es, Senior?«, fragte er, indem er sich zu mir umdrehte.
    Das Mädchen kicherte schon wieder. Ich ging zu Len, nahm das Bonbon, ließ es fallen und zertrat es.
    »Wie bedauerlich«, sagte ich zu dem Händler. »Da ist es mir wohl aus der Hand gefallen.«
    Der Händler und ich standen wie angewurzelt da und starrten uns an. Die Karawane zog unverdrossen weiter. Len war ebenfalls wie ve r steinert und schaute erschrocken zu uns herüber.
    »Wir machen nur selten Geschenke«, sagte der Händler schließlich. »Die sollte man nicht ablehnen.«
    »Bisher habe ich noch keine Geschenke gesehen«, erwiderte ich. »Nur Almosen. Gute Reise, wir treffen uns dann in der Stadt wieder.«
    Daraufhin breitete ich meine Flügel aus und erhob mich in die Luft. Ich hätte mir die Händler vorher noch mit dem Wahren Blick ansehen sollen! Aber das würde ich irgendwann nachholen.
    Len holte mich auf dem Weg zur Stadt ein.
    »Warum hast du das gemacht, Danka?«, wollte er wissen, sobald er mich erreicht hatte. »Ihre Bonbons sind immer lecker!«
    »Du Kind!«, knurrte ich mit einer Wut, die mich selbst überraschte. »Len, begreif doch, man darf sich nicht so von oben herab behandeln lassen!«
    »Bind das Tuch um, uns kommt jemand entgegen!«, rief Len mir zu. Ich kochte immer noch vor Wut und hätte ihm beinahe eine gesche u ert, band das Tuch dann aber doch um und ließ Len vorausfliegen.
    Als ich sah, wer auf uns zusteuerte, vergaß ich Len und die Händler sofort. Da kam Iwon. Ich erkannte ihn an seinem Flug. Der Flüge l schlag eines jeden Menschen war für mich inzwischen genauso u n verwechselbar wie seine Handschrift.
    »Arbeitest du jetzt als Blindenführer?«, spottete Iwon, kaum dass er über uns war. »Das ist eine hervorragende Lösung, Len! Du bist wir k lich der ideale Partner für einen Feigling. Und was ist mit dir, Senior aus einer anderen Stadt? Kneift das Tuch nicht?«
    Meine Antwort war, dass ich nach oben schoss und ihm meine Schwertspitze an den Hals knallte.
    »Du bist doch blind!«, kreischte Iwon, der nicht einmal versuchte, sich wegzuducken. »Du bist blind!«
    »Mein Gehör reicht mir«, erklärte ich. »Wie gefällt dir meine Kli n ge? Ist sie nicht schön scharf?«
    »Flügelträger ermorden einander nicht!«, wimmerte Iwon mit weic h licher Stimme. »Halt ihn auf, Len!«
    Doch Len schwebte bloß neben uns und genoss die Szene.
    »Ihr habt den schönen Brauch, Feiglinge zu bestrafen, Iwon«, fuhr ich fort. »Jetzt werde ich einen neuen Brauch einführen. Nämlich den, Schweinehunde zu bestrafen.«
    Ich schlug mit voller Kraft auf ihn ein und hackte ihm den rechten Flügel ab. Hals über Kopf fiel Iwon in die Tiefe. Kurz sah ich ihm nach, dann legte ich die Flügel an und stürzte ihm hinterher.
    Ich fing Iwon kurz vor dem Boden ab, packte ihn bei den Haaren und bremste seinen Fall mit einem einzigen Ruck. Danach hielt ich ein paar mit der Wurzel ausgerissene Büschel in der Hand. Iwon quiekte wie ein Ferkel.
    »Vergiss das nie«, ermahnte ich ihn, als ich neben ihm landete. »Man sollte sich nicht wie ein Schweinehund verhalten. Niemals. Wiederhol das jeden Morgen. Vielleicht erlebst du dann noch den Tag, an dem du zu schwer für deine Flügel sein wirst.«
    Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug ich ihm auch noch seinen linken Flügel ab. Iwon stand bloß da, glotzte mich p a nisch an und machte keine Anstalten, nach seiner Armbrust zu langen. Schließlich erhob ich mich wieder in die Luft. Und zwar so schnell, dass der Pfeil, den er mir am Ende doch noch nachschoss, mich nicht mehr erreichte.
    »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Len, der am Himmel auf mich gewartet hatte. »Hast du ihn umgebracht?«
    »Nein, ich habe ihm die Flügel abgeschnitten. Soll er doch zu Fuß in die

Weitere Kostenlose Bücher