Der Herr der Finsternis
Stadt zurückwatscheln!«
»Dann werden sich alle über ihn lustig machen«, meinte Len ernst.
»Das will ich doch hoffen. Glaubst du, er schafft es bis in die Stadt?«
»Warum denn nicht? Entweder kriecht dieser Mistkerl selbst bis dorthin oder die Karawane liest ihn unterwegs auf. Schließlich befi n det er sich auf deren Route.«
»Fliegen wir nach Hause«, schlug ich vor, nachdem ich die letzten Zweifel an meinem Verhalten vertrieben hatte.
Wir landeten auf dem Platz, genau da, wo Shoky mir vor drei Tagen die Augen ausgestochen hatte. Als wir nach Hause gingen, blickten die Leute mir nach. Manche schauten verängstigt, andere erstaunt. Dann begegnete uns Shoky. Schnell legte mir Len mit mitleidiger Miene seine Hand auf die Schulter. Ich blieb stehen und blickte durch das schwarze Tuch hindurch.
»Freut mich, dass euer Patrouillenflug geklappt hat«, meinte Shoky, während er auf uns zukam. »Du kannst vorzüglich fliegen, das habe ich jetzt gesehen. Ich will mich entschuldigen.«
Die Wut, die ich auf ihn hatte, löste sich bei diesen Worten in Luft auf.
»Shoky, Gesetze sind wichtig. Aber man darf sich nicht zum Skl a ven der Gesetze machen«, sagte ich. »Sonst machst du dich auch in allen anderen Bereichen zum Sklaven. Über den Bergen haben wir Iwon getroffen. Er hatte Probleme mit seinen Flügeln, sodass er zu Fuß und bestimmt ziemlich spät nach Hause kommt. Mach dir also keine Sorgen.«
»Ich verstehe das alles nicht«, gab Shoky zu. »Wie machst du das, Danka?«
»Die Karawane erreicht die Stadt morgen früh«, informierte ich ihn und tat so, als hätte ich seine Frage nicht gehört. »Ihr könnt also schon mal überlegen, wer diesmal bei ihnen anheuert. Und geht davon aus, dass Len und ich bereits als Begleitsoldaten für die Strecke von hier bis zur Stadt der Händler a n geheuert haben.«
»Ihr verlasst uns?«, rief Shoky aus, als traue er seinen Ohren nicht.
»Gehen wir, Junior«, befahl ich Len. Wir gingen weiter.
Nach zehn Metern hielt Len es nicht mehr aus. »Ist das dein Ernst, Danka?«, fragte er.
»Absolut . «
»Aber du hast mich nicht mal gefragt! Vielleicht will ich ja gar nicht weggehen!«
Mir fiel wieder der Len ein, den ich mit dem Wahren Blick gesehen hatte. »Willst du etwa nicht mitkommen?«
Len sagte kein Wort.
»Wir gehen in die Stadt der Händler. Wir knacken alle ihre Gehei m nisse. Wir bekommen heraus, wo sie so verdammt braun geworden sind«, sagte ich und malte ihm das Unternehmen in den schillerndsten Farben aus und meine Worte rissen mich selbst mit. »Und wag es jetzt ja nicht, zu lügen – von wegen, du würdest nicht davon träumen, aus dieser Stadt rauszukommen!«
Len antwortete erst, als wir das Haus erreichten: »Stimmt, ich trä u me davon. Ich mag meine Stadt nicht! Aber ich wünschte, du hättest nicht diesen Wahren Blick bekommen, mit dem du in mir lesen kannst wie in einem offenen Buch! Ich will nicht, dass du alles für mich en t scheidest, Danka!«
Als wir das Haus betraten, schwiegen wir beide, jeder mit sich selbst beschäftigt. Len holte das altbackene Brot heraus, schnitt sich etwas ab und fing an, wortlos darauf herumzukauen. Mir stand der Sinn nicht nach Selbstkasteiung, deshalb langte ich nach einem Stück Dör r fleisch und ließ es mir schm e cken.
Wir aßen immer noch, als der Kater zu uns stieß. Vermutlich hatte er oben friedlich geschlafen, dann unsere Anwesenheit gespürt und war nach unten gekommen.
»Oh, oh«, bemerkte der Sonnenkater nur, während er auf den Tisch sprang und sich zwischen uns legte.
Eine gute Minute schwieg er und schaute abwechselnd Len und mich an. Es machte mich verlegen, als mir klar wurde, dass auch er in uns las wie in einem offenen Buch. Und ihm entging nichts!
»Ich muss mit dir reden, Len«, eröffnete der Kater ihm streng.
»Warum?«, fragte Len. »Ich habe nichts getan! Ich habe mich nicht mal mit Danka gestritten.«
»Ich muss mit dir reden, weil es zurzeit rein gar keinen Sinn hätte, mit Danka zu sprechen«, fuhr der Kater in unverändert strengem Ton fort. Das Herz krampfte sich mir zusammen. Was sollte das heißen – es hätte keinen Sinn? »Danka macht eine schwere Zeit durch, eine sehr schwere. Er hat ein wenig vom Wahren Licht in sich aufgeno m men und ist nun fähig, mit dem Wahren Blick zu sehen. Natürlich hat er prompt beschlossen, in die Rolle des guten Helden zu schlüpfen, der die Wahrheit kennt und besser als alle anderen weiß, was für einen gut ist. Ganz nebenbei möchte er
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