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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Wunder!«, meinte Len, während er die Schokolade auspackte. »Ich habe sie immerhin vor den Freifliegern gerettet! Die muss mir ihr ganzes Leben lang dankbar sein … « Verlegen sah er mich an, bevor er hinzufügte: »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll … «
    »Dann lass es einfach«, meinte ich, während ich ein Stück von der Schokolade abbiss. Sie war anders als unsere, keine Tafel, sondern eher ein Tannenzapfen, sehr bitter und hart. Trotzdem schmeckte sie gut.
    »Willst du auch was, Kater?«, fragte Len.
    »Katzen essen nicht einmal die Schokolade aus Dankas Welt«, sagte der Kater stolz.
    »Sie würden sie bestimmt nicht verschmähen – wenn ihnen jemand welche anbieten würde«, erwiderte ich, während ich ein Stückchen von meiner Schokolade für ihn abbrach. »Probier doch mal.«
    Len gab dem Kater auch was ab und dann machten wir uns alle drei über unser bescheidenes Frühstück her. Verblüfft registrierte ich, dass zweihundert Gramm Schokolade offenbar das Maximum waren, was ich auf einmal verdrücken konnte.
    »Und was machen wir jetzt?«, wollte Len wissen, nachdem er seine Portion aufgegessen hatte. Seinen Appetit nahm ich als Beweis, dass mit ihm wieder alles in Ordnung war.
    »Na, was wohl? Wir gehen in die Stadt«, verkündete der Kater, wä h rend er sich mit der Pfote die Schnauze putzte.
    »In unsere?«, fragte Len ebenso erleichtert wie enttäuscht.
    »Nein, in die Stadt der Händler«, sagte ich. »Schließlich haben wir noch gar nichts herausbekommen. Vielleicht treffen wir unterwegs auch wieder auf die Karawane.«
    »Das dürfte meiner Ansicht nach ziemlich schwer sein«, verkündete der Kater.
    In diesem Punkt sollte er sich jedoch glücklicherweise irren. Sobald der Kater in Lens Ausschnitt verschwunden war, flogen wir los. Der Pfad der Karawane lag wie auf dem Präsentierteller vor uns, der Wind stand günstig und schon nach drei Stunden erspähten wir unter uns die langsam dahinzottelnden Tiere. Die Karawane hatte sich so beeilt, vom Turm wegzukommen, dass sie überhaupt nicht mehr an ihre Ta r nung gedacht hatte. Als wir auftauchten, blieben alle stehen. Die So l daten richteten ihre Armbrüste auf uns.
    »Wir sind ’ s!«, schrie ich, während ich tiefer ging.
    »Wen bringst du da mit?«, fragte der Händler, als hätte er meine Worte nicht gehört.
    »Na Len!«, antwortete ich. »Wir kommen jetzt runter!«
    Da der Händler nichts weiter sagte, landeten wir neben ihm. Mir entging nicht, wie seine Tochter sich hinter seinem Rücken versteckte.
    »Wir sind ’ s!«, wiederholte ich, während ich die Flügel anlegte. »Was ist denn los?«
    »Len ist jetzt ein Freiflieger«, erklärte der Händler verunsichert.
    »Das bin ich nicht!«, knurrte Len. »Danka hat mich gerettet!«
    Nach und nach bildeten die Begleitsoldaten einen Ring um uns. Sol l ten sie es sich einfallen lassen, uns mit ihren Armbrüsten zu beschi e ßen, gäbe es für uns kein Entkommen, das war mir klar.
    »Wie konntest du ihn retten?«, fragte mich der Händler. »Die Fre i flieger haben den Jungen in den Turm gebracht. Von da ist noch nie jemand entkommen.«
    »Er ist auch nicht entkommen«, sagte ich, da ich ahnte, dass ich den Händler nicht würde überzeugen können. »Ich habe den Turm ze r stört.«
    Jemand lachte los. Der Händler sah mich bloß schweigend an, holte seine schwarze Brille aus der Tasche und setzte sie auf. Als mir wi e der einfiel, woraus das Glas der Finsternis bestand, wurde mir schlecht.
    »Du lügst nicht«, bemerkte der Händler nach einer Weile. Dieses »du lügst nicht« fiel mir auf. Er hatte nicht festgestellt: Du sagst die Wahrheit. »Auch wenn deine Geschichte höchst unwahrscheinlich klingt … « Dann sah er Len lange an, bevor er die Brille abnahm und den Blick wieder auf mich richtete. Er betrac h tete mich nachdenklich. »Senkt die Waffen«, befahl er endlich. »Es sind Menschen.«
    Die Soldaten leisteten dem Befehl nur zögernd Folge. Sie rührten sich nicht und beglotzten uns, als kämen wir von einem anderen Stern. Plötzlich drängelte sich ein Mann aus unserer Stadt zwischen ihnen durch, packte Len beim Kinn und sah ihm in die Augen. »Tatsache, Len«, stellte er verblüfft fest, »du hast es geschafft, mein Junge.«
    »Ich kann es auch kaum glauben«, antwortete Len ernst.
    Daraufhin redeten die Soldaten alle durcheinander und schoben sich näher an uns heran. Offenbar wollte jeder von ihnen uns angrabschen, knuffen oder irgendwas Blödes zu uns sagen. Der

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