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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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habe?«
    »Übertreib es nicht!«, schrie es aus der Dunkelheit. Aber jetzt lag Angst in der Stimme.
    »Weißt du noch, wie du mich bestraft hast, Papa? Das war immer abends, angeblich, damit ich nachts in Ruhe über alles nachdenken konnte. Oder lag es vielleicht doch eher daran, dass du dich in der Dunkelheit stärker gefühlt hast? Du sagst ja gar nichts, Papa?«
    Inzwischen lief ich schon weiter durch den Gang. Das Licht lag in meinem Rücken. Ich hörte noch etwas über meine Mutter und darüber, dass ich an allem schuld sei, dass ich ein kleiner Fascho und Mörder sei, der so schnell wie möglich ein erwachsenes Arschloch werden wolle. Doch da hatte ich den Gang bereits hinter mir.
    Jetzt befand ich mich in einem Raum, in dem es hell war und wo ein weiterer Korridor abging, diesmal ein breiter, der überhaupt nicht b e drohlich wirkte. Mit dem Rücken zu mir stand Len da und schaute in den Gang hinein. In seinen Händen hielt er das Wahre Schwert, das ebenfalls noch in der Scheide steckte. Ich schaute unwillkürlich auf meine eig e nen Hände – in denen das gleiche Schwert lag.
    »Bist du echt oder auch bloß eine Prüfung?«, fragte ich. Len wirbe l te herum – und ich verlor halb den Verstand.
    Len schien echt. Sein Blick war erschrocken, seine Haare zerzaust. Er sah mich genauso entgeistert an wie ich ihn.
    »Bist du das … Danka?«, fragte Len schüchtern.
    »Und bist du Len?«
    Wir glotzten einander an, bis Len nach einer Weile unsicher läche l te. »Ich bin echt.«
    »Wie bist du hierhergekommen?«, fragte ich misstrauisch.
    »Von da. Logischerweise.« Len blickte an die Decke. »Wenn das Wahre Schwert gleichzeitig vielen Trägern dienen kann … « Er ließ den Satz unvollendet.
    »Ach ja«, meinte ich, »daran hab ich gar nicht mehr gedacht.«
    »Wovor hast du bisher Angst gehabt?«, wollte Len wissen.
    »Vor Kleinkram. Und du?«
    »Ich bin gerade erst hier gelandet. Und während ich noch darüber nachgedacht habe, wohin ich am besten gehen soll, bist du aufg e taucht.«
    »Da hinten habe ich schon alles gecheckt«, sagte ich. »Das ist ein absolut simples Labyrinth, ohne jede Abzweigung. Versuchen wir mal diese Tür.«
    »Okay.«
    Als ich an Len vorbeimarschierte, berührte ich ihn – rein zufällig n a türlich – an der Schulter. Offenbar war er tatsächlich echt. Wir liefen den Gang hinunter, ich voraus, Len hinter mir.
    »Soll ich vielleicht vorgehen?«, fragte Len nach einer Weile leise. Der Gang wurde immer dunkler.
    Sofort schrillten meine Alarmglocken. »Weshalb?«
    »Na ja … womöglich traust du mir ja doch nicht … und glaubst, dass ich nicht echt bin … «
    Bei dieser Erklärung brach ich in schallendes Gelächter aus. »Und du?«, fragte ich. »Glaubst du denn, dass ich Danka bin?«
    »Ja«, beteuerte Len. »Warum sollte mir das Labyrinth eine solche Prüfung auferlegen? Schließlich habe ich keine Angst vor dir. Wir sind doch Freunde.«
    »Siehst du, und ich hab keine Angst vor dir«, sagte ich.
    Die Finsternis wurde jetzt total undurchdringlich, nirgends gab es noch einen Lichtschimmer. Selbst vor uns ließ sich kein Ausgang mehr erahnen.
    Hatte ich wirklich keine Angst vor Len? In ihm lauerte doch die Finsternis, hatte der Kater gesagt. Und wenn er jetzt … Ich schüttelte den Kopf, um diese gemeine Angst zu vertreiben. Stattdessen versuc h te ich, logisch zu denken. Wenn Len echt war – und das war er ganz offenbar –, brauchte ich keine Angst zu haben. Und falls er nicht echt war, wenn sich das Labyrinth tatsächlich diese fiese Prüfung für mich ausgedacht hatte … dann war mir immerhin schon nicht mehr so bange wie vorhin. Damit konnte das nicht meine Hauptangst sein. Mit der könnte ich also fertig werden.
    »Danka!« Lens Hand legte sich mir auf die Schulter. »Lass mich v o rangehen!«
    Bei der Berührung war ich schreckhaft zusammengezuckt. Inzw i schen kam mir sein Vorschlag durchaus entgegen. »Warum willst du denn unbedingt vorgehen?«, fragte ich trotzdem.
    »Ich bin an die Dunkelheit gewöhnt«, meinte Len bloß und drückte sich an mir vorbei. Die nächste Minute sagten wir kein Wort, nur ab und an berührte ich Lens Schulter, um festzustellen, ob wir uns nicht etwa verloren hatten.
    Plötzlich schrie Len los. Von vorn hörte ich Lärm. Ich stürmte vo r wärts – und mein Kopf explodierte beinahe vor Schmerzen.
    Das Erste, was ich spürte, als ich wieder zu mir kam, war der Griff meines Schwerts, der gegen meine Wange drückte. Ich lag auf dem Boden, das

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